Sorption, Abbau und Mobilität von Steroidhormonen in Böden
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In den letzten Jahrzehnten konnten zunehmend Missbildungen an aquatischen Organismen beobachtet werden, wobei die natürlichen und synthetischen Steroidhormone als Hautursache dieser zu sehen sind. Sie zeigen im Gegensatz zu Xenoestrogenen eine hohe estrogene Wirkstärke und rufen so bereits im unteren ppt-Bereich Wirkungen auf Organismen hervor. Bislang gab es nur vereinzelt Untersuchungen zum Verbleib der Steroide 17ß-Estradiol (E2), Estron (El), 17a-Ethinylestradiol (EE2) und Testosteron (TES) im Boden, so dass aufgrund ihrer Umweltrelevanz eine detaillierte Charakterisierung des Mineralisations,- Sortions- und Transportverhaltens von Interesse war und innerhalb des Projektes wie im Folgenden beschrieben durchgeführt wurde. Grundsätzlich zeigte sich mit durchschnittlichen Mineralisationsraten für E2, El und EE2 von 6.2%, 7.4% und 1.8% eine geringe Estrogenmineralisation in drei Wochen. Hierbei wies EE2 die geringsten Mineralisationsraten auf, während zwischen E2 und El keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden konnten. Die Mineralisation von TES war hingegen mit einem durchschnittlichen Wert von 56.2% wesentlich höher. TES konnte somit im Vergleich zu den Estrogenen als weniger umweltrelevant charakterisiert werden, so dass daher in dieser Arbeit das Verhalten von Estrogenen In Böden den Schwerpunkt bildete. Unterschiede in der Hormonmineralisatton konnten weitestgehend auf die Molekularstruktur der einzelnen Hormone zurückgeführt werden. Grundsätzlich zeigten die estrogenen Verbindungen mit log Koc Werten von 3.16 - 3.91 für E2, von 3.45 - 3.82 für El und von 3.22 - 3.67 für EE2 sich ähnelnde Sorptionsaffinitäten an die Bodenfestphase. TES wies hingegen mit log Koc Werten von 2.87 bis 3.47 eine höhere Mobilität in den Böden auf. Steroide sind hydrophobe organische Verbindungen, so dass die organische Bodensubstanz (SOM) ihren Hauptsorbenten im Boden darstellt. Da die Hormonsorption hauptsächlich durch hydrophobe Adsorption an die Bodenfestphase gesteuert wird, schienen sich die unterschiedlichen Sorptionsaffinitäten weitestgehend aus den verschiedenen hydrophoben Eigenschaften der Hormone zu resultieren. Zudem wurde vermutet, dass auch Tongehalt und Tonmineralogie die Hormonsorption in den Böden beeinflusste. Insgesamt hat sich gezeigt, dass der Kp Wert nicht geeignet ist, um Rückschlüsse auf die Bioverfügbarkeit und die Mineralisation der Estrogene zu ziehen. Die Mineralisation der Estrogene wurde wahrscheinlich wesentlich durch die Zusammensetzung der mikrobiellen Lebensgemeinschaften in den Böden gesteuert. Zudem schienen für die Mineralisation von E2 und EE2 jeweils unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften verantwortlich zu sein. So zeigte sich auf die Zugabe des Antibiotikums Streptomycin ausschließlich die E2 Mineralisation sensitiv, so dass ein durch Bakterien gesteuerter Abbau des E2 vermutet wurde. Im Gegensatz dazu konnte durch die Zugabe von Holzmehl lediglich eine verstärkte Mineralisation von EE2 beobachtet werden, welche auf eine durch das Holzmehl gesteigerte Aktivität von Weißfäulepilzen zurückgeführt wurde. Somit wurden Weißfäulepilze als EE2 Zersetzer vermutet. Bei einer durch Glucosezugaben gesteigerten mikrobiellen Aktivität in den Bodenproben kam es zu einem gleichzeitigen Anstieg der Estrogenmineralisation, so dass von einem cometabolischem Abbau ausgegangen wurde. Da durch den Zusatz von Alanin oder Ammoniumnilrat ausschließlich bei der EE2 Mineralisation ein Anstieg feststellbar war, konnte hierfür eine Stickstofflimitierung aufgezeigt werden. Es konnte herausgestellt werden, dass die Effekte von kurzzeitigen und langzeitigen Beaufschlagungen von Böden mit organischen Düngemitteln auf die Estrogenmineralisation und -sorption, als auch die dahinter stehenden Wirkmechanismen, unterschiedlich sind. Kurzzeitige Beaufschlagungen resultierten in einer E2 Gesamtmineralisation von bis zu 63%, was etwa einer 10-fach höheren E2 Gesamtmineralisation im Vergleich zur Kontrolle entsprach. Als Ursachen wurden leicht verfügbare organische Verbindungen in den Düngemitteln gesehen, die letztendlich einem cometabolischen Abbau von E2 in den beaufschlagten Böden gefördert haben könnten. Die Auswirkungen einer langzeitigen Beaufschlagung von organischen Düngemitteln auf die Estrogenmineralisation spiegelten sich in einer verringerten, in einer verstärkten oder einer unveränderten Estrogenmineralisation wider, wobei die beobachteten Effekte dabei unabhängig von der Art des venwendeten organischen Düngemittels waren. Mit einer maximalen E2 Mineralisation von bis zu 14% in langzeitig mit Abwasser beregneten Bodenproben waren die langzeitigen Auswirkungen wesentlich geringer als die bei kurzzeitiger Beaufschlagung beobachteten Effekte. Es wurde angenommen, dass die stetige Einbringung von Mikroorganismen, zusammen mit den organischen Düngemitteln, in den Böden zu einer neuen Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft geführt hat. Die sich auf diesem Weg entwickelte mikrobielle Gemeinschaft schien maßgeblich den Abbau der Estrogene in langzeitig mit organischen Zuschlagstoffen beaufschlagten Böden zu steuern. Im Hinblick auf die Sorptionseigenschaften konnte herausgestellt werden, dass langzeitige Beaufschlagungen zu unveränderten oder ansteigenden log Koc Werten der Estrogene führte, während kurzzeitige Beaufschlagung der Böden in einer starken Abnahme der log Koc Werte resultierte. Wahrscheinlich führten Alterungsprozesse in langzeitig und kurzzeitig beaufschlagten Böden zu organischen Bodensubstanz unterschiedlicher Oualität, welche wahrscheinlich einen Einfluss auf die Estrogensorption ausgeübt hat. Die Anwesenheit von aus organischen Düngemitteln extrahiertem DOC hat in den meisten Fällen zu einer Verringerung der Estrogenmineralisation, als auch zu einer verringerten Estrogensorption in den Böden geführt. Komplexe zwischen Estrogenen und DOC Molekülen schienen hierbei die molekulare Struktur der Estrogene maskiert und so deren Bioverfügbarkeit und Mineralisation verringert zu haben. Die absinkende Estrogensorption an die Bodenfestphase wurde durch Wechselwirkungen zwischen DOC aus organischen Zuschlagstoffen und den Estrogenen in der Bodenlösung bewirkt, die die scheinbare Löslichkeit der Estrogene herabsetzte. Interessanterweise konnte herausgestellt werden, dass Austauschprozesse zwischen dem DOC aus den organischen Düngemitteln und dem Boden DOC die Sorption der Estrogene an die Festphase erhöhte. Schlussfolgernd zeigte sich, dass, obwohl die kurzzeitige Beaufschlagung von Böden mit organischen Düngemitteln die Persistenz von Estrogenen erheblich verringert, durch Interaktionen zwischen DOC und den Estrogenmolekülen das Risiko einer erhöhten Estrogenmobilität in beaufschlagten Böden gefördert werden kann. Daher können Böden, die mit organischem Dünger behandelt werden, wahrscheinlich als Quelle von Estrogenen in aquatische Systeme wirken.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Jahrestagung der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG) 2006 Marburg Titel: Sorption und Mineralisation der Steroidhormone Testosteron und 17ß-Östradiol in verschiedenen Böden.
- Jahrestagung der International Humic Substance Society (IHSS) Karlsruhe 2006 Titel: Sorption ofthe Natural Steroid Hormones 17ß-Estradiol and Testosterone in Different Soils
- Tagung der DBG Arbeitsgruppe zum Thema „ A b o v e ground and below g r o u n d : Decomposer and primary producer interaction" 2006 Titel: Mineralisation and sorption of the Steroidhormones 17ß-estradiol and testosteron in different soils
- (2007): Long-term sewage sludge application and wastewater irrigation on the mineralization and sorption of 17b-estradiol and testosterone in soils. The Science oft he Total Environment 374, 282-291
Stumpe, B. and Marschner, B.
- Jahrestagung der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG) 2007 Dresden Titel: Abbauverhalten der Steroidhormone 17ß-Estradiol und 17a-Ethinylestradiol in verschiedenen Böden
- Jahrestagung des Bundesverband Boden (BVB) 2007 Titel: Abbau und Sorption von Steroidhormonen in Böden
- Consoil 2008 Titel: Factors controlling estrogen degradation in soils
- Eurosoil 2008 Titel: Mineralization and Sorption of E2 and EE2 in different soils
- (2009): Dissolved organic carbon from sewage sludge and manure can affect estrogen sorption and mineralization in soils. Environmental Pollution 158, 148-154
Stumpe, B. and Marschner, B.
- (2009): Factors controlling the biodegradafion of 17 betaestradiol, estrone and 17 alpha-ethinylestradiol in different natural soils. Chemosphere 74, 556-562
Stumpe, B. and Marschner, B.
- Jahrestagung der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG) 2009 Bonn : Titel: Einfluss von Stallmist- und Klärschlamm-bürtiger gelöster organischer Substanz auf die Sorption von 17ß-Östradiol und 17a-Ethinylöstradiol in verschiedenen Ackerböden
- Jahrestagung der European Geoscience Union (EGU) 2009 Titel: Long- and short-term effects of organic wastes on the behaviour of 17ß-estradiol, estrone and 17a-ethinylestradiol in different soils.
- (2010): Organic waste effects on the behaviour of 17D- estradiol, estrone and 17n-ethinylestradiol in agricultural soils in long -and short-term setups. Journal of Environmental Quality
Stumpe, B. and Marschner, B.
(Siehe online unter https://doi.org/10.2134/jeq2009.0225)