Im Rahmen des Projekts Experimentelle und numerische Untersuchungen an Stahlbetonträgern mit zweiachsigen Querkraftbeanspruchungen wurden die Auswirkungen zweiachsiger Querkraftbelastungen auf das Tragverhalten und die Tragfähigkeit von Stahlbetonbalken mit Rechteckquerschnitt untersucht. Das grundlegende Tragverhalten wurde sowohl mithilfe parametrisierter numerischer Simulationsrechnungen als auch durch insgesamt 38 großformatige Balkenversuche analysiert. Ein Versuchsstand zur Durchführung von Balkenversuchen mit zweiachsigen Querkraftbelastungen wurde entwickelt und realisiert. Sowohl in den Simulationsrechnungen als auch in den Experimenten konnten gegenüber dem bisher bekannten einachsigen Lastfall signifikante Veränderungen im Tragverhalten nachgewiesen werden. Räumliche, geneigt durch den Balken verlaufende Druckspannungsfelder verursachen Zusatzbelastungen in den Bewehrungszug- und Betondruckstrebenstreben. Diese ungünstige Wirkungsweise bedingt zum Teil signifikante Reduktionen des Balkenwiderstands, die für Bemessungsaufgaben von sicherheitstechnischer Relevanz sind, da aktuelle Bemessungskonzepte und normativen Regelungen den Widerstand überschätzen, also unsicher sind. Aufbauend auf den durch die Simulationsrechnungen und Experimenten gewonnen Erkenntnissen wurde ein Bemessungskonzept für Stahlbetonträger mit Rechteckquerschnitt entwickelt. Der Ansatz kann sowohl für die Abschätzung der Grenztraglast, als auch zur Ermittlung innerer Spannungs- und Kraftgrößen in Balken mit und ohne Querkraftbewehrung angewendet werden. Im Rahmen der Herleitung wurden mechanisch nachvollziehbare Beschreibungen des Querkrafttragverhaltens unter Berücksichtigung der Querkrafteinwirkungsrichtung entwickelt. Eine Anbindung an normative Regelungen und das Sicherheitskonzept der DIN 1045-1 wurde dabei realisiert. Die in das Bemessungsmodell integrierten Faktoren zur Berücksichtigung der Querkraftneigungseinflüsse auf den Balkenwiderstand bewirken für ein- und zweiachsige Lastfälle sichere Abschätzungen der Tragfähigkeit, wie die durchgeführten vergleichenden Untersuchen mit den gewonnen Versuchsbruchlasten nachweisen. Die Fähigkeit des entwickelten Bemessungskonzepts nunmehr auch Gebrauchszustände von querkraftbewehrten Stahlbetonbalken realitätsnah zu erfassen, eröffnet weiteres Entwicklungspotenzial z.B. für Gebrauchstauglichkeitsnachweise oder auch bei der Ermittlung von Spannungsschwingbreiten der Bügelbewehrung als Eingangsgröße für Ermüdungsnachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Die festgestellte Proportionalität zwischen Rissbreite und Bügeldehnung zeigt Kopplungen zwischen äußerer Rissbildung und anliegendem Lastniveau auf, so dass zukünftig Hinweise und Gesetzmäßigkeiten für die Beurteilung von Resttragfähigkeiten bestehender Tragwerke abgeleitet werden können.