Complete edition of Leopold von Ranke's correspondence (1813 bis 1886)
Final Report Abstract
Unbestreitbar liefert der revidierte erste Band beachtliche Erkenntnisfortschritte zu Rankes Frühzeit, zu seinen Netzwerken und Karrierestrategien und damit zur Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts insgesamt. Zweifellos lässt schon er die erstaunlichen Dimensionen des Ranke‘schen Briefwechsels erkennbar werden und rechtfertigt dessen Edition einmal mehr als ein wichtiges und lohnendes Projekt. Trotzdem führt leider kein Weg an der Tatsache vorbei, dass das Projekt als Ganzes vorerst nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Denn die Folgebände, von denen während der langen Förderzeit wenigstens noch zwei erscheinen sollten, liegen nicht einmal in fertigen Manuskripten vor, und es ist derzeit kein realistisches Konzept in Sicht, wie sie abgeschlossen werden könnten. Dafür trägt die Historische Kommission die volle Verantwortung. Der wichtigste Grund für diesen Befund besteht jedoch darin, dass der Kommission die Dimension der Quellengrundlage und der damit signifikant erhöhte Aufwand für die Verwirklichung einer Gesamtausgabe des Ranke-Briefwechsels erst im Zuge der editorischen Bearbeitung in vollem Umfang bekannt geworden sind. Das diametral von der Ausgangssituation abweichende und bisher völlig unbekannte Ausmaß der Korrespondenz des Gelehrten ist ein zentrales Forschungsergebnis des Projekts und erforderte es, das weitere Prozedere auf den Prüfstand zu stellen und neu zu definieren. Hätte die ursprünglich geplante Ausgabe der schon gedruckten Briefe von einem einzelnen Bearbeiter eventuell noch im Rahmen des ursprünglichen Projektplans bewältigt werden können, waren mit der Entscheidung für eine historisch-kritische Gesamtausgabe mit einem Erscheinungsrhythmus von zwei Jahren die Möglichkeiten eines Einzelnen definitiv überfordert - dies umso mehr, als ergänzende Archivrecherchen Massen neuer Briefe zu Tage förderten. So erklärt sich auch, dass der Bearbeiter trotz äußerster Anstrengung und engagierter Zuarbeiterinnen und Zuarbeiter in eklatante Terminnöte geriet. Das in den Anträgen genannte Ziel zu erreichen, war angesichts der völlig neuen Quellenlage schlicht unmöglich. Ein kaum minder wichtiger Grund für das Misslingen des Projekts in dieser Form liegt in der wachsenden Unterfinanzierung der Historischen Kommission. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kommission zusätzliche Kräfte hätte einstellen müssen, um den Bearbeiter und sein Personal zu entlasten, war sie aufgrund des rigiden Sparkurses der bayerischen Landesregierung im Gegenteil gezwungen, alle ihre Hilfskraftverträge auslaufen zu lassen. Selbst den staatlichen Institutionen, die auf große Langfristeditionen spezialisiert sind, fehlt heute eine großzügige öffentliche Hand. In dieser Dauerkrise ist es für die Historische Kommission buchstäblich ein Gebot des Überlebens, ihre immer knapperen Mittel nicht exklusiv an ein einziges großes Projekt zu binden, sondern Manövriermasse zu behalten, um auch weiterhin - wie schon so oft in ihrer über 150jährigen Geschichte - aktuelle Impulse aus der Forschung aufnehmen und zu attraktiven neuen Projekten entwickeln zu können. Im Moment ist das leider eine Entscheidung gegen die Fortsetzung des Ranke-Briefwechsels in seiner bisherigen Form und für eine verstärkt digitale Strategie. Ranke, mit seinem feinen Sinn für historische Konjunkturen, hätte dafür vollstes Verständnis gehabt.
Publications
- Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe. Band 1: 1810-1825. Herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Gerrit Walther. Boston/Berlin 2016, 892 S.
Leopold von Ranke; bearb. von Dietmar Grypa; hrsg. durch Gerrit Walther
(See online at https://doi.org/10.1515/9783110412123)