Incremental interpretation of case and prominence
Final Report Abstract
Das Projekt „Incremental interpretation of case and prominence“, welches Teil eines bilateralen Forschungsvorhabens mit dem Institut für Linguistik der Radboud Universität Njimegen war, beschäftigte sich mit dem Einfluss von Prominenzmerkmalen, wie Kasus, Spezifität, Belebtheit und Wortstellung, auf die on-line Interpretation von SOV-Strukturen, d.h. von Sprachen und Strukturen, in denen Argumente und Argumentrelationen bereits interpretiert werden müssen, bevor die Verbinformation zur Verfügung steht. Ziel des Projektes war die Weiterentwicklung des von uns vorgeschlagenen Argument Dependency Models mit Hilfe ausgewählter Sprachen (z.B. Türkisch, Hindi) und Konstruktionen (z.B. SO-Abfolgen im Chinesischen). Im Zentrum stand dabei die Frage, ob es neurophysiologische Evidenz für die in der Typologie bekannten Prominenzskalen im Sprachverstehensprozess gibt und ob diese Korrelate die Annahme zulassen, dass neben rein strukturellen Parametern Dependenzrelationen innerhalb und zwischen den Prominenzskalen die Interpretation von Argumenten sichtbar beeinflussen. Ausgangspunkt war dabei das Konzept der unmarkierten Transitivität (im Sinne von DeLancey, Comrie), welches basierend auf sprachübergreifenden Daten argumentiert, dass eine ideale (kognitiv einfache) zweistellige Relation in allen Merkmalen, die die Argumente besitzen, maximale Opposition besitzt. Tatsächlich zeigten sowohl neurophysiologische Daten aus dem EEG als auch Aktivierungen in ausgewählten anatomischen Regionen (linkes Broca-Areal, linker posteriorer Sulcus temporalis superior), dass Abweichungen von dieser Opposition zu erhöhten Aktivierungen führen. In Abhängigkeit von den jeweiligen Sprachen finden sich dabei unterschiedliche Stärken, mit denen die jeweiligen Prominenzeigenschaften den Interpretationsprozess steuern. Gemeinsam ist allen untersuchten Sprachen hingegen, dass ein Argument, welches in einer der Skalen als abhängig interpretiert wird, Vorhersagen für das in der Dependenzrelation höherstehende Argument auslöst. So führen zum Beispiel ein akkusativmarkiertes Argument im Tamil und ein durch ein Koverb eindeutig markierter Handlungserleidender im Chinesischen zu den identischen Erwartungen für einen sequentiell folgenden maximal belebten Handlungsverursacher. Wird diese Erwartung nicht erfüllt so zeigt sich ein identisches Muster im EEG, welches nicht nur an der Oberfläche als N400-Komponente erkennbar ist, sondern dessen Zustandekommen auf identischen frequenzspezifischen Charakteristika beruht. Durch andere Sprachen, wie Türkisch, Hindi, Isländisch und Deutsch und durch die Ausweitung der Methoden (Blickbewegung) konnten weitere Aspekte der modellbasierten Vorhersagen überprüft und ausspezifiziert werden. So gelang es einerseits das Modell signifikant weiterzuentwickeln, andererseits aber auch zu zeigen, dass das Modell mit seinen architektonischen Annahmen in der Lage ist, Phänomene zu erklären, die nicht aus der eigentlichen Domäne der Modells stammen. Im Kontext des Projektes sind zwei Richtungen zukünftiger Forschungsarbeiten sichtbar geworden. Modellseitig wird es dabei um die Frage gehen, ob das bisherige Inventar an Prominenzmerkmalen erschöpfend erfasst ist, welcher Natur diese Prominenzskalen sind, d.h. woher sie sich motivieren lassen, und in welcher Art die sprachspezifische Wichtung zwischen den verschiedenen Prominenzskalen beschrieben werden kann. Daneben wird durch die gewonnenen Erfahrungen im Bereich der Untersuchung unterschiedlicher Sprachen in der auditiven Domäne weiterhin die Notwendigkeit bestehen, die prosodischen Eigenschaften in mono- und bilingualen Sprechern zu erfassen und den Einfluss auf die zu beobachtenden neurophysiologischen Korrelate zu beschreiben.