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Web Sleuthing. Medienpraktiken kriminalistisch ermittelnder Amateure
Antragstellerin
Dr. Anne Ganzert
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 544267474
Das Projekt erforscht mediale Prozesse und kulturelle Erscheinungsformen zeitgenössischer digitaler Praktiken des Ermittelns – der englische Begriff des "Web Sleuthing" ist hier zentral. Dabei geht es um Amateur:innen, die mit Hilfe digitaler Medien Recherchen anstellen, Spuren verfolgen und kollektiv Kriminalfälle lösen wollen – und diese Ermittlungen wiederum anderen Nutzer:innen zugänglich machen. Die Antragstellerin fasst das Web Sleuthing als verbreitetes mediales Phänomen, dessen Varianten und Ausprägungen sich in privaten, öffentlichen, rechtlichen und politischen Kontexten finden lassen und auf diese auswirken können. Es geht darum zu erforschen, mit welchen kollektiven (Medien-)Praktiken Nutzer:innen Inhalte und Informationen suchen und diese verbreiten, verwerten, be- und verarbeiten – also eine Form der Datenarbeit. Die Emmy Noether-Gruppe entwickelt dafür anhand von beispielhaften Medienanalysen, netnografischer Forschung und theoretischen Einbettungen ein adäquates medienwissenschaftliches Reflexions- und Analyseinstrumentarium. Medienpraktiken des Web Sleuhting umfassen z.B. Datenakkumulation und -visualisierung; versierte Social Media Praktiken und das Ausnutzen plattformspezifischer Daten, wie das automatische Geotagging von Bildern; semi-professionelle oder KI unterstützte Text- und Videoanalyse; Bildanalyse und -bearbeitung; Recherche und Digitalisierung analoger Medien und Archivierung und Management großer Datenmengen. Konkrete Beispiele finden sich etwa bei der Suche nach vermissten Personen oder anderen kriminologischen Bemühungen von User:innen, die Verbrechen wie z.B. den medienwirksamen Fall der verschwunden Gaby Petito in 2021 aufklären wollen. Ziel ist es, die digitalen Praktiken und kollektiven Prozesse des Web Sleuthing zu untersuchen und analysierbar zu machen. Dazu werden die medialen Artefakte, die Plattformen und prominente 'Sleuths', sowie deren fiktionalen Repräsentationen in ihrem Zusammenspiel erfasst. In drei konzisen Teilprojekten wird erforscht, wie die Datenarbeit des Web Sleuthing Informationen produziert, angepasst, kommentiert und aufbereitet, und wie diese Datenfragmente in der Zirkulation Glaubwürdigkeit oder Aufmerksamkeit erfahren. Diese Zirkulation erfolgt innerhalb von Plattformen und Communities und kann durch Konversationsanalyse und medien-ethnografische Forschung nachverfolgt werden. Mediale Artefakte und Communities wiederum finden Eingang in verschiedene (pop-)kulturelle Ausformungen und das Web Sleuthing erscheint als zeitgenössische Trope in Filmen, Serien oder Games. Rückübersetzungen, oder Remediatisierungen aus diesen wiederum werden erneut zu Memes oder medialen Artfakten, die zirkulieren. Das Projekt erfasst diese zirkulären Prozesse des Ermittelns in digitalen Kulturen erstmalig umfassend und ergänzt dadurch die Debatte um kollektive Ermittlungen, alternative Wahrheiten und alltägliche Medienpraktiken um eine wichtige medienwissenschaftliche Perspektive.
DFG-Verfahren
Emmy Noether-Nachwuchsgruppen