Zielsetzung des Projekts war es, den Einfluss der Gaumenform auf die Artikulation und die artikulatorische Variabilität zu untersuchen. Dazu sollte einerseits der Einfluss gegebener interpersonaler anatomischer Unterschiede des Artikulationsapparates auf die artikulatorische und akustische Variabilität analysiert werden, andererseits sollten die Langzeitauswirkungen einer Veränderung dieser Geometrie durch einen künstlichen Perturbationsgaumen untersucht werden. Die Ergebnisse sollten Rückschlüsse ermöglichen auf (i) das Verhältnis von Artikulation, Akustik und Perzeption, (ii) Eigenschaften von „perceptual primitives“, (iii) die Ursachen bestimmter Artikulationsstrategien (biomechanisch bestimmt durch die Auswirkungen der Vokaltraktgeometrie oder aber neuronal kontrolliert durch den Sprecher), (iv) Eigenschaften eines internen Modells der Sprachproduktion und -perzeption. Im ersten Experiment des Projekts interessierte uns, ob die artikulatorische Variabilität von Sprechern abhängig von den physiologischen Gegebenheiten ihrer Vokaltrakte, in unserem Fall der Gaumenform, ist. Wir erwarteten, dass Sprecher mit einem sehr gewölbten Gaumen eine höhere artikulatorische Variabilität haben sollten als Sprecher mit flachem Gaumen, da derselbe Grad an artikulatorischer Variabilität bei hohen Gaumen zu weniger akustischer Variabilität führt als bei flachen. Dazu wurden 32 SprecherInnen per Elektropalatographie aufgenommen. Ihre artikulatorische Variabilität wurde anhand der Variabilität ihrer EPG-Kontaktmuster gemessen. Ihre akustische Variabilität wurde anhand der Formanten erfasst. Die Ergebnisse zeigen, dass Sprecher mit flachen Gaumen zwar immer eine geringe artikulatorische Variabilität haben, dass Sprecher mit einem gewölbten Gaumen jedoch nicht zwangsläufig eine höhere artikulatorische Variabilität aufweisen. Es scheint also so zu sein, dass Sprecher mit gewölbtem Gaumen die Möglichkeit zu mehr artikulatorischer Variation haben, dass aber nicht alle Sprecher Gebrauch davon machen. Die Ergebnisse stützen also akustische Repräsentationen. Im zweiten Experiment des Projekts interessierte uns, ob Sprecher auf artikulatorische oder auf akustische Ziele hin adaptieren, wenn ihre Artikulation gestört wird. Dazu wurde die Artikulation von neun Sprechern durch eine Gaumenprothese, die diese über zwei Wochen tragen sollten, perturbiert. Die Sprecher wurden zu Beginn des Experiments, nach einer Woche und am Ende des Experiments nach zwei Wochen per elektromagnetischer Artikulographie aufgenommen. Die Resultate zeigen, dass die Sprecher auf akustische Ziele hin adaptieren. Beispielweise wurden trading relations zwischen Lippenprotrusion und Zungenposition beim /u/ und beim /S/ nachgewiesen: Die Sprecher variieren die beiden artikulatorischen Parameter so, dass das akustische Resultat konstant bleibt, selbst wenn die Artikulation variiert. Wir konnten darüber hinaus zeigen, dass artikulatorische Ziele zwar nicht als endgültiges Adaptionsziel, aber doch in der motorischen Kontrolle des Sprechens eine Rolle spielen. Die SprecherInnen waren in der Lage, relativ gut zu adaptieren, selbst wenn ihre auditive Rückmeldung durch Rauschen maskiert war. Weiterhin konnten wir einen Einfluss der perzeptiven Fähigkeiten der Probanden auf die Adaptionsfähigkeit nachweisen. Motorisch äquivalente Strategien werden vor allem von Sprechern verwendet, die über sehr gute perzeptive Fähigkeiten verfügen.