Entwicklung eines Modellierungsansatzes zur inkrementellen Umformung der Magnesiumknetlegierung AZ31 bei Raumtemperatur
Final Report Abstract
Bei inkrementellen Umformverfahren wird die Endgeometrie des Werkstücks kinematisch über eine angepasste Formgebungsstrategie erzeugt. Sie zeichnen sich durch eine lokale und zyklische Werkstoffbelastung bei einer nur kleinen plastifizierten Zone aus. Dabei kommt das Werkstück mehrmals in Berührung mit dem Werkzeug. Aufgrund der hohen Anzahl an Freiheitsgraden sind diese Verfahren sehr flexibel. Obwohl klassischerweise das Freiformschmieden warm für die Herstellung von Vorformen aus Stahl eingesetzt wird, eignet es sich prinzipiell aufgrund seiner hohen Flexibilität auch für die Kaltmassivumformung von Leichtmetallen. Da insbesondere die Endgeometrie von der Formgebungsstrategie abhängt, bietet es sich an für eine Prozessgestaltung, bei der es auf die Ausnutzung von Verformungsanisotropien, d.h. von richtungsabhängigen Mechanismen ankommt, die speziell bei Metallen mit hexagonaler Mikrostruktur wie Magnesium bzw. Magnesiumlegierungen auftreten. Um Daten für die Modellierung des inkrementellen Verfahrens wie die Kinematik, Kontaktzeiten und -zonen, Kontaktweglängen etc. zu erhalten, wurden zunächst Versuchsschmiedungen an dem isotropen Modellwerkstoff Al 99,5 mit bekannter Fließkurve durchgeführt. Dieses Metall besitzt ein kubisches Gitter und verfügt entsprechend über viele Gleitmöglichkeiten, die die Verformung begünstigen. Da der Wechsel der Verformungsrichtung ein Schlüsselparameter bei der Umformung anisotroper Materialien darstellt, wurde ein Versuchsstand zur inkrementellen Umformung entworfen und experimentell umgesetzt, der den simulativ schwer umsetzbaren Richtungswechsel der Belastungsrichtung Rechnung trug. Aufgrund der bekannten problematischen Spannungs-, Formänderungs- und Kontaktbedingungen bei der Simulation inkrementeller Umformverfahren wurde nach jeder Umformstufe die Oberfläche des Werkstücks mit einem um die Probe rotierenden Laser hoch aufgelöst abgescannt. Dies erfolgte letztlich mit dem Ziel, ein möglichst genaues Abbild der lokalen Formänderung zu erhalten. Der Einsatz des Lasers erwies sich als überaus vorteilhaft, da online ein Vergleich mit dem entsprechenden Zwischenschritt der simultan durchgeführten Simulation der inkrementellen Umformung angestellt werden konnte, womit eine Reduktion der Rechenzeit einherging. Die Simulation ließ sich somit erfolgreich mit der Simulationssoftware Simufact.forming SFM durchführen, wobei die FEM-Berechnung entsprechend dem realen Prozess in einer mehrstufigen Analyse berechnet und in mehrere Lastfälle unterteilt wurde. Der Schmiedeprozess wurde gekoppelt berechnet, das heißt, dass die Erwärmung und die damit verbundenen Änderungen der Spannungen während der Umformung berücksichtigt wurden. Es zeigte sich, dass die experimentell erzielte Formänderung des Versuchswerkstoffes Al 99,5 mit den Ergebnissen der FEM-Berechnungen in guter Übereinstimmung waren. Die Oberfläche des Werkstückes blieb während der Umformung glatt, so dass Aluminium sich sehr gut für das Freiformschmieden eignet. Anders gestaltete es sich bei dem Einsatz der Magnesiumlegierung AZ31. Im Gegensatz zu Al 99,5 waren anstatt vier nur zwei Umformstufen möglich. Danach fand ein Bruch der Probe statt. Die Oberfläche der Probe zeigte starke, unregelmäßige Verformungen, die während dieser Kaltumformung auftraten und die eingeschränkte Anzahl an Verformungsmechanismen bzw. die Verformungsasymmetrie deutlich werden ließ. Obwohl die Grundlage für die Simulation des inkrementellen Prozesses gelegt und experimentell verifiziert wurde, war es infolge der zeitlich limitierten Bewilligung des Vorhabens von 9 Monaten nicht möglich, eine Simulation der durchgeführten Experimente an der Magnesiumlegierung durchzuführen. Hier ist weiterhin Forschungsbedarf gegeben. Die Bearbeitung des Vorhabens hat gezeigt, dass als wesentliche künftige Arbeit die Aufnahme von Fließkurven von Magnesiumlegierungen zu nennen ist, die in den Datenbanken kommerzieller FEM-Software nach wie vor fehlen und auch in der Literatur kaum erhältlich sind. Diese Lücke gilt es zu schließen. Aus diesem Grund ist die Verwendung eines neuronalen Netzes, das von der Eingabe werkstoffrelevanter Daten lebt und letztlich mit FEM-Programmen gekoppelt werden soll, zunächst in den Hintergrund zu rücken. Betrachtet man die Vorteile des Freiformschmiedens, so ergibt sich aus dieser Prozesstechnologie eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Als Vorzüge des Freiformschmiedens sind zu nennen: - auch größere Werkstücke können umgeformt werden, - Einzelstücke und kleine Serien können wirtschaftlich hergestellt werden, - es müssen keine speziellen Werkzeuge, Gesenke oder Formen angefertigt werden, - es besteht eine große Vielfalt an verwendbaren Werkstoffen, - es erfolgt eine Einsparung von Werkstoff und Bearbeitungskosten durch eine an die Fertigform weitgehend angenäherte Schmiedeform. Die nahezu unbegrenzten Formgebungsmöglichkeiten beim Freiformschmieden bieten Gestaltungsfreiraum zur funktionsgerechten Teilekonstruktion. Freiformschmiedestücke gibt es in Form von Stäben, Wellen, Scheiben, Lochscheiben, Buchsen, Ringen und anderen Erzeugnissen. Zahllose Formstücke finden in der Maschinen-, Anlagen- und Transporttechnik vielfältige Anwendungen. Allerdings finden Magnesiumlegierungen in diesen Bereichen bislang kaum Einzug, obwohl der Bedarf an Leichtbaukonstruktionen aus umweltrelevanten Gründen zunimmt. Der Grund dafür ist die nach wie vor unzureichende Kenntnis der tatsächlichen Formgebungsgrenzen.