Auslegung von textilverstärkten Kunststoffverbunden mit multistabilen Deformationszuständen
Final Report Abstract
Im Rahmen der Forschungsarbeiten konnten funktionsintegrierende Verbunde mit multistabilen Deformationszuständen entwickelt werden, die auf mehrschichtigen Textil-Kunststoff-Verbunden mit gezielt einstellbaren Anisotropieeffekten und integrierten piezokeramischen Aktoren beruhen. Durch eine unsymmetrische Verstärkungsarchitektur in der polymeren Tragschicht werden systematisch Koppelphänomene hervorgerufen, die zu großen Verkrümmungen des Bauteils mit mindestens zwei Gleichgewichtszuständen führen. Ausgestattet mit einer piezokeramischen Aktorschicht lassen sich mit diesen eigenspannungsbedingt vorgekrümmten Mehrschichtverbunden (MSV) große Stellwege sowie Stellkräfte durch einen kurzen elektrischen Spannungsimpuls generieren. So kann im Unterschied zu konventionellen Wandlerstrukturen auf eine ununterbrochene Energiezufuhr zur Aufrechterhaltung von Kräften bzw. Auslenkungen verzichtet werden. Durch die geeignete Auswahl und Positionierung mehrerer Aktorelemente sind dabei adaptive bistabile MSV entstanden, die aktorisch reversible Umschlagvorgänge (Zweiweg-Aktuation) zulassen. In phänomenologisch-experimentellen Untersuchungen wurden die Eignung textiler Halbzeuge zur Herstellung bistabiler Faser-Kunststoff-Verbunde (FKV) nachgewiesen und Methoden zur deren thermomechanischer Charakterisierung erarbeitet. Mit einer zweckmäßigen Fadenarchitektur, wie sie etwa in Mehrlagengestricken (MLG) oder Multiaxialgelegen (MAG) aber auch in Geweben mit Atlas- oder Köperbindung realisierbar sind, lassen sich vorteilhaft anisotropiebedingte Struktureffekte einstellen, die während der Konsolidierungsphase des Thermoplastverbundes zu herstellungsbedingt eigenspannungsinduzierten Verformungen führen, die bislang nur an duroplastischen Mehrschichtverbunden aus unidirektionalen Einzellagen untersucht wurden. In Kombination mit thermoplastischen Matrixsystemen lassen sich so kosteneffzient, unter geringem manuellen Aufwand unsymmetrische Verbundstrukturen in Ein- oder auch Mehrschichtbauweise herstellen, die eine multistabile Deformationscharakteristik aufweisen. Zur Berechnung des thermisch und aktorisch induzierten nichtlinearen Deformations- und Durchschlagverhaltens von multistabilen Textilverbunden sind zunächst semi-analytische Simulationsmodelle auf der Basis der Extremalprinzipe der Elastostatik erarbeitetet worden, die auf quadratische Polynomansätze zur Approximation des Verschiebungsfeldes zurückgreifen und Scherungseffekte in der MSV-Mittelfäche vernachlässigen. Über die Verwendung höherwertiger Ansatzfunktionen (Polynome ab dritten Grades) konnten auch lokale Veränderungen der Krümmungsradien, wie sie insbesondere im Überdeckungsbereich der applizierten Aktoren auftreten, erfasst werden. Durch die geeignete Formulierung der Energiebilanz mit Hilfe zusätzlicher Terme, die dem Ein?uss sequenziell gegenläufig wirkender Aktoren Rechnung tragen, gelang die Simulation einer Zweiweg-Aktuation. Die Implementierung höherer Laminattheorien, wie etwa der Schubdeformationstheorie erster Ordnung, gestattet darüber hinaus, den Einfluss der Klebschicht zwischen Aktor und Trägersubstrat zu evaluieren. Begleitend zu den semi-analytischen Berechnungen wurden Simulationen auf Basis der Finite-Elemente-Methode (FEM) durchgeführt und hierbei sowohl Modellierungsstrategien mit Volumenelementen als auch die Verwendung von Schalenelementen verfolgt. Hintergrund der Modellierung mit Volumenelementen war die Simulation des gekoppelten elektromechanischen Strukturverhaltens der piezokeramischen Aktorelemente mit Hilfe spezieller Elementtypen. Aufgrund der hohen erforderlichen Vernetzungsdichte insbesondere wegen der geometrisch nichtlinearen Verformungen sind solche Simulationsmodelle sehr rechenintensiv. Das auf Schlalenelementen beruhende Modell zeichnet sich hier durch einen wesentlich geringeren Vernetzungsaufwand und mithin kürzere Rechenzeiten aus, verzichtet dabei aber auf eine explizite Modellierung des Piezoeffektes. Das piezoelektrische Verformungsverhalten wird hier mit den thermomechanischen Eigenschaften der verwendeten Schalenelemente nachgebildet. Beide Modelle erlauben neben der Simulation des Einweg-Effektes auch die rechnerische Abbildung der Zweiweg-Aktuation. Die Dicke der Klebschicht zwischen Aktormodul und der multistabilen Textilverbundstruktur sowie die Art des Klebstoffes (z. B. Epoxidharz, Phenolharz, Acrylate) haben einen wesentlichen Ein?uss auf die Übertragung der elektrisch induzierten Aktuationsdehnung vom Aktor auf die Tragstruktur (Textil-Kunststoff-Verbund). Über rechnerische Parameterstudien konnte dieser Einfluss in Abhängigkeit von den Klebstoffeigenschaften und der Klebschichtdicke bewertet werden. Elementare FE-Modelle dienten hierbei zur Untersuchung des Übertragungsverhaltens der Aktordehnung auf das Trägersubstrat und konnten in nachgeschalteten Experimenten mit adaptierten problemspezifischen Versuchsaufbauten verifiziert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Klebschichtanalyse flossen in die Auslegung der Demonstratorstrukturen und in die Auswahl geeigneter Klebstoffe sowie Fügetechnologien ein. Auf Basis der gewonnenen theoretischen Ergebnisse und der durchgeführten experimentellen Voruntersuchungen wurden prototypische bistabile Demonstratorstrukturen für Durchschlagprozesse konzipiert, ausgelegt und gefertigt, anhand derer der Funktionsnachweis „aktorisch reversibel“ arbeitender multistabiler Stellelemente erbracht werden konnte. In statischen Voruntersuchungen wurden die herstellungsbedingten out-of-plane Verformungen infolge von Eigenspannungen wie auch die Deformationenseinflüsse durch Applizieren der Aktoren mit Hilfe des photogrammetrischen Messsystems ATOS II berührungslos bestimmt und auf Grundlage der Messergebnisse eine Anpassung der Ansatzfunktionen des semi-analytischen Berechnungsmodells vorgenommen – insbesondere unter Berücksichtigung der Krümmungsänderungen entlang der Struktur-Mittelfläche. Zur strukturdynamischen Analyse wurde mit dem für die Forschungsarbeiten beschafften Mehrkanal-Spannungsverstärker sowie mitgelieferter Rechentechnik eine Regelstrecke aufgebaut, die für die entgegengesetzt wirkenden Aktoren die erforderlichen elektrischen Umschlagspannungen sequentiell bereitstellte. Im Rahmen der experimentellen Untersuchungen an den aktorisch arbeitenden Strukturen konnten der Zusammenhang zwischen Verbunddeformation und anliegender elektrischer Spannung mit Hilfe der optischen Verformungsmesseinrichtung PONTOS in-situ aufgezeichnet und so die erarbeiteten Berechnungsergebnisse verifiziert werden. In zyklischen Versuchen ist darüber hinaus das Degradationsverhalten „aktorisch reversibel“ arbeitender multistabiler Textil-Kunststoff-Verbunde untersucht worden. Delaminationen zwischen den Piezokeramikaktoren und der bistabilen Faserverbundstruktur konnten im Rahmen der Dauerversuche nicht festgestellt werden.
Publications
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- Verfahren zur Herstellung von Wandlerwerkstoff-Modulen und Wandlerwerkstoff-Module. Zusatzpatent DE 10 2007 037 342.4, VDI-Verlag, offengelegt 22.02.2009
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