Entwicklung und Parametrisierung vergröberter Polymermodelle zur Vorhersage und zum Verständnis viskoelastischer Materialeigenschaften
Final Report Abstract
Die Viskosität von Polymerschmelzen ist einer ihrer wichtigsten Verarbeitungsparameter. Daher wäre es wünschenswert, sie mit theoretischen Methoden oder Computermodellen zuverlässig für bestimmte Materialien vorhersagen zu können. Im Prinzip ist dies mit Methoden der Molekulardynamik möglich. Für niedermolekulare Flüssigkeiten lassen sich Viskositäten damit sicher berechnen. Polymere haben jedoch zu lange Relaxationszeiten und damit Simulationszeiten, als dass man die notwendigen Simulationen mit genauen, atomistischen Modellen durchführen könnte. Vergröberte Polymermodelle, die anhand der Polymerstruktur optimiert worden sind, sind schnell genug in der Simulation. Sie haben jedoch das Problem, dass sie die Dynamik im Polymer nicht korrekt beschreiben: die Mobilität solcher vergröberten Polymermodelle ist durchweg um mehr als 2 Größenordnungen zu hoch. Damit sind Diffusionskoeffizienten viel zu groß und Viskositäten viel zu klein. Hier setzte das Forschungsvorhaben an. Es sollten vergröberte Polymermodelle entwickelt werden, die nicht nur die Struktur (sowie einige thermodynamischen Eigenschaften), sondern vor allem auch die Dynamik der Polymere richtig wiedergeben. Dazu sollten dynamische Eigenschaften wie zum Beispiel die Viskosität in der Potentialoptimierung direkt als Zielgrößen verwendet werden. Es wurden Versuche durchgeführt, das vergröberte Potential für Polystyrol in diesem Sinne zu optimieren. Dazu wurde Polystyrol unter Verscherung simuliert. Es ergaben sich interessante Informationen darüber, welche Konformationen Polystyrol im Scherfluss annimmt. Diese passten hervorragend zu Neutronen-Streuergebnissen. (Zur Berechnung von Neutronen-Streufaktoren wurde eigens ein Verfahren zum so genannten backmapping, der Wiedereinführung von Atomen in eine vergröberte Polymerstruktur, entwickelt.) Allerdings gelang es in zahlreichen Versuchen nicht, vergröberte Potentiale zu finden, die eine gleichzeitige Reproduktion der Polymerstruktur und seiner Viskosität, bzw. seines Diffusionskoeffizienten, gestattete. Es zeigte sich, dass ein solches stark vereinfachtes Potential entweder die Polymerstruktur oder die Dynamik richtig wiedergibt. Dieses galt auch für ein zweites Beispiel, Polyamid. Hier sind allerdings die Abweichungen zwischen vergröberter und atomistischer Dynamik deutlich geringer; sie liegen bei einem Faktor 30-60. Das liegt vermutlich daran, dass im Polyamid weniger Atome zu größeren Einheiten zusammengefasst werden als im Polystyrol. Daraufhin wurde die Bewegungsgleichung modifiziert. Von reiner Newtonscher Molekulardynamik gingen wir über zu einer stochastischen Dynamik, der so genannten dissipative particle dynamics (DPD). Diese enthält einen Reibungsterm, der die beim Vergröbern verloren gegangene Reibung wiederherstellt und, richtig parametrisiert, die Mobilität des Modells auf das korrekte Maß reduziert. Es gelang, eine zunächst empirische Beziehung zu finden, mit der der Reibungskoeffizient aus dem Vergleich der Simulationen eines kleinen Modelsystems, einerseits mit einem atomistischen Modell, andererseits mit dem vergröberten, ermittelt werden kann. Diese Vergleichsrechnung muss nur an einem einzigen Beispiel (Systemgröße, Temperatur) durchgeführt werden und kann dann auf andere Situationen übertragen werden. Diese Beziehung gilt für niedermolekulare Fluide, für Polymerschmelzen bei verschiedenen Temperaturen und sogar für ionische Flüssigkeiten. Es konnte im weiteren auch für eine andere stochastische Bewegungsgleichung, die so genannte Lowe-Andersen-Dynamik, eine entsprechende Beziehung für deren Kontrollparameter Stoßfrequenz gefunden werden. Somit wurde das ursprüngliche Ziel des Vorhabens, die realistische Berechnung von Viskositäten von Polymeren mit vergröberten Modellen auf dem Umweg einer Anpassung der Bewegungsgleichung erreicht.
Publications
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