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Großstadtregionen als hybride Räume: Neue sozialräumliche Ungleichheiten durch Digitalisierung? Eine Längsschnittbetrachtung am Beispiel von Prozessen der Wohnungssuche in der Region Halle-Leipzig
Antragstellerin
Dr. Karin Wiest
Fachliche Zuordnung
Humangeographie
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 542848051
Globale Entwicklungen, die unter dem Schlagwort "Digitalisierung" subsumiert werden, wirken auf vielfältige Art auf gegenwärtige Gesellschaftsstrukturen ein (Reckwitz 2017, Mau 2017, Nassehi 2019) und gelten gleichzeitig als Triebfedern stadtregionaler Transformationsprozesse. Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Projekt davon ausgegangen, dass einerseits gesellschaftliche Differenzierungen im Zuge des digitalen Wandels des Arbeitsmarktes, zum anderen Effekte der Algorithmisierung und digitalen Mediatisierung (u. a. Nutzung von Social-Media-Plattformen) im Alltag neue soziale und räumliche Ordnungen in Stadtregionen hervorbringen. Untersucht werden sowohl Entwicklungspfade von Quartiersstandorten als auch raumbezogene Praktiken und Imaginationen von Bewohner:innen, die in unterschiedlichem Maß durch virtuelle Raumerfahrungen geprägt sind. Angenommen wird, dass sich Muster sozialräumlicher Differenzierung nicht nur in materiell-physischen, sondern auch in virtuellen Alltagsräumen widerspiegeln und dort (re-)produziert werden. Das Vorhaben knüpft an empirische Arbeiten eines Vorgängerprojekts an, in dem Wohnstandortentscheidungen, Quartiersbewertungen und alltägliche Aktivitätsmuster an suburbanen, zwischen- und innerstädtischen Standorten in der Region Halle-Leipzig analysiert wurden (u.a. Danielzyk et al. 2014). Ein Längsschnittvergleich soll es ermöglichen, sozialräumliche Entwicklungen in den Untersuchungsquartieren über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren darzustellen. Dabei sollen die Beziehungen zwischen dem sozioökonomischen Status der Bewohner:innen, ausgewählten Merkmalen der Wohnquartiere und der Herausbildung von zunehmend digitalen Alltagspraktiken analysiert werden. Eine darauf aufbauende Typisierung differenzierter Lebenslagen und Lebensstile soll dazu beitragen, die These von einer wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung "digitaler Eliten" bzw. einer "digitalen Prekarisierung" unter dem Aspekt sozialräumlicher Differenzierungsprozesse in der Region empirisch einzuordnen. In einem qualitativ ausgerichteten Untersuchungsteil wird auf der Grundlage von Online Communities der Austausch über und der Verlauf von Prozessen der Wohnungssuche tagebuchähnlich dokumentiert. Dadurch soll es möglich werden, die Verwobenheiten von virtuellen und physisch-materiellen Raumwahrnehmungen sowie Einstellungsänderungen im Verlauf der Suche unmittelbar zu erfassen. In ergänzenden problemzentrierten Interviews wird erschlossen, wie Algorithmisierungen, selektiv auf Raumwahrnehmungen einwirken und wie die unterschiedlichen Nutzer:innen sozialer Medien in ihrer textlichen und visuellen Kommunikation räumliche Imaginationen selbst (re-)produzieren. Ziel ist es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich differenzierte „digitale“ Lebensstile und die zunehmend virtuellen Raumerfahrungen auf die Wahrnehmung und Neubewertung von Wohnstandorten in der Stadtregion auswirken.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen