Die slawischsprachigen Muslime in Griechenland (Pomaken) sind eine hochgradig dreisprachige Minderheil, die seit 1995 von erheblicher Liberalisierung profitiert und ihre Identität neu ausverhandcin kann. Die Pomaken standen jahrzehntelang im trilateralen Spannungs- und Irredenlismusverhällnis zwischen der Türkei, Griechischen und Bulgarien, heute spitzt sieh der Konflikt zwischen türkischer und griechischer Assimilation zu, wobei letztere Initiator und Förderer des pomakischen Regionalismus ist. Anders als im restlichen Osteuropa, wo es zu massiver Reethnisierung zum Zwecke politischer Partizipation gekommen ist, spielt Sprache für die Pomaken keine Rolle. Wie für andere muslimische Kleingruppen in Südosteuropä ist und bleibt Religion der zentrale Marker für Gruppenzugehörigkeit. Trotz des fehlenden Eigensprachlichkeilsbewusstseins und der Desavouierung der eigenen Muttersprache hat sich in den 1990-2000er Jahren eine beachtliche Schriftsprachlichkeit entwickelt, die zunächst von griechischen Dorfschullehrem, bald aber auch von Teilen der pomakischen Sprachgemeinschaft hervorgebracht wird (Zeitungen, Flugblätter, Erzählbände). Die Analyse dieser Textproduktion zeigt unterschiedliehe Verschrift(lich)ungsstrategien, wobei bereits die Wahl des Alphabets und seine Adaptation an den ostsüdslawischen Phonembestand politische Bekenntnisse zwischen griechischer und türkischer Integration bzw. Gegenakkulturation impliziert. Mit den beiden Überdachungsspraehen erarbeitet sich das Schriftpomakische eine erstaunliche Polyvalenz. Die Dreisprachigkeil der Pomaken besitzt stark regionale, lokale, soziale und geschlechtliche Ausdifferenzierungen und führt zu hochgradig idiolektalen Varietäten des Pomakischen. Die Pomaken benutzen in mehrsprachigen Äußerungen üblicherweise akroleklale Elemente (Türkisch und Griechisch) für Relexifizierungen oder als Diskursmarker. Eine Entwicklung hin zum Fused Lect scheint angesichts der Stabilität der (Grund- und Ober)Schulsprachen Griechisch und Türkisch sehr unwahrscheinlich, auch wenn borrowings problemlos gramrriatisch adaptiert worden sind. Für kontaktinduzierl typologischen Sprachwandel ist der griechisch-ostsüdslawische Sprachkontakt zu rezent. Die griechische Innenpolitik als wohl wichtigster politischer Faktor hat zweifach in diese Prozesse .eingegriffen: Zu Beginn des Kalten Kriegs wurden die Pomakengebiete - angeblich fünfte Kolonne des kommunistischen Bulgariens - zu militärischem Sperrgebiet erklärt. Der „Entslawisierung" diente das türkisch-griechische Minderheitenschulsystem, das Anfang der 1950er Jahre eingeführt wurde. Mit der EU-Integration Bulgariens in den 1990-2000ern hat eine entgegengesetzte Politik der „Reslawisierung" eingesetzt, die ihrerseits nun als „Entturzisierung" funktionieren soll. War das Pomakische jahrzehntelang als korrumpierter altgriechischer Dialekt (und die Pomaken als reinste antike Hellenen) dargestellt worden, so fällt heute das Tabu des Pomakischen als Dialekt des Bulgarischen. Zur Zeit ist zu verfolgen, wie im sehr heftigen türkisch-griechischen Antagonismus auf den Pomakendörfern kulturpolitisch gar Rekurs auf das kyrillische Alphabet genommen wird. Die griechisch-bulgarische Entspannung und die neue Wahrnehmung Bulgariens ist die eigentliche Überraschung des Projekts. Durch die verschärfte Wirtschaftskrise Griechenlands erhält die Orientierung der Pomaken Richtung Bulgarien zusätzliches Potenzial.