Demokratiemuster und Leistungsbilanz politischer Systeme in Mittel- und Osteuropa: Ein quantitativ-empirischer, systematischer Vergleich der ökonomischen, ökologischen und sozialen Performanz in 16 mittel- und osteuropäischen Ländern
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Insgesamt hat diese Untersuchung gezeigt, dass „reine" Demokratiemuster (im Sinne von Mehrheits- oder Konsensualdemokratien, vgl. Lijphart 1999) in Mittelosteuropa nicht existieren. Vielmehr wurde empirisch belegt, dass die Demokratiemuster dimensional identifiziert werden müssen. Dabei hat sich einerseits gezeigt, dass in Mittelosteuropa von wenigen Ausnahmen abgesehen kombinierte Demokratiemuster vorliegen. Andererseits wurde deutlich, dass die drei vorgeschlagenen Demokratiedimensionen statistisch tatsächlich eigenständig sind und mithin unterschiedliche Dinge messen. Somit kann bestätigt werden, dass sich die politischen Systeme in Mittelosteuropa untereinander bezüglich ihrer Demokratiemuster deutlich unterscheiden (Hypothese I). Ferner hat die Untersuchung auch gezeigt, dass in Mittelosteuropa unterschiedliche Performanzmuster bestehen (Hypothese II). Hinsichtlich der output-Performanz sind klare Muster zu erkennen. Manche Länder haben stärkere Sozial- und Umweltreformen initiiert, manchmal sogar auf Kosten von Wirtschaftsreformen. Andere Ländern haben die Einführung von Wirtschaftreformen favorisiert und Sozial- und Umweltpolitik eher vernachlässigt. Es lassen sich also kinder and gentler democracies identifizieren, die sich gegenüber reinen Wirtschaftsreformern abgrenzen (Hypothese V). Das Gleiche gilt für die outcome-Performanz (Hypothese III). Jene Länder, die bereits in den Analysen zur output-Performanz zu den kinder and gentler democracies zählen, sind auch bei der outcome-Perfomanz vertreten. Hierzu zählen vor allem Slowenien und die Tschechische Republik. Zu den liberal-marktwirtschaftlich orientierten Demokratien zählen hingegen in erster Linie Estland und auch Lettland. Die empirischen Befunde belegen ferner, dass in allen Politikbereichen ein Zusammenhang zwischen den output- und den outcome-Variablen besteht (Hypothese IV). Dieser Einfluss ist im Wirtschafts- und Umweltbereich zudem stärker im Hinblick auf die Veränderung der outcome-Variablen als auf die Erklärung der Niveauwerte. Der Zusammenhang zwischen Demokratiemuster und Leistungsbilanz (Hypothese VI) ist vor allem hinsichtlich der output-Performanz und der Veränderung der Performanz zu erkennen. Mit Ausnahme des umweltpolitischen Bereichs sind machtkonzentrierende Demokratien den machtdispersiven überlegen. In Bezug auf die programmatische Ausrichtung von Regierungen ist festzustellen, dass rechte Regierungen eine effizientere Performanz in den Bereichen Wirtschaft und Soziales aufweisen und linke Regierungen im Bereich der Umweltpolitik die besseren Performanzwerte erzielen. Historische Faktoren haben nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Demokratiemuster in Mittelosteuropa, sodass sich die Eingangs formulierte Hypothese VII auf der Basis der vorliegenden Daten nicht bestätigen lässt. Allerdings üben historische Kontextfaktoren einen starken Einfluss auf die Leistungsbilanz in den mittelosteuropäischen Ländern aus (Hypothese VIII). Dabei beeinflusst das wirtschaftliche „Tal der Tränen" die Performanz stärker als die kommunistischen legacies. Das trifft für alle Bereiche sowohl in der output- als auch die outcome-Performanz zu. Schließlich üben internationale Faktoren einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Leistungsbilanz der mittelosteuropäischen Länder aus (Hypothese IX). Dabei überrascht, dass sich die wirtschaftliche Offenheit eines Landes eher negativ auf die Performanz auswirkt und dass die Intensität der Handelsbeziehungen mit der EU weniger stark erklärt. Wahrscheinlich wirkt der Einfluss der EU relativ gleichmäßig auf alle mittelosteuropäischen Länder, so dass diesbezüglich keine Varianz festzustellen ist. Es ist jedoch zu vermuten, dass der Einfluss der EU auch in den Diffusionsindex eingeht, der in allen drei Politikbereichen hinsichtlich der output-Performanz vergleichsweise hoch ausfällt. Dieser Befund legt die grundlegende Schlussfolgerung nahe, dass die Leistungsbilanz der mittelosteuropäischen Länder vor allem von politischen Reformen und nationalstaatlichen Institutionen bestimmt wird. Letztere werden jedoch im hohen Maße von internationalen Diffusionsprozessen (Globalisierung) und weniger stark (wie ursprünglich angenommen) von den Demokratiemustern eines Landes beeinflusst.