Spannungsgesteuerte Natriumkanäle (NaV-Kanäle) spielen eine tragende Rolle bei der elektrischen Signalgenerierung und –weiterleitung in erregbaren Zellen. Toxine zahlreicher giftiger Lebewesen zielen daher darauf ab, mit NaV-Kanälen zu interferieren und somit den entsprechenden Organismus zu lähmen oder zu töten. Neben der Blockade der Ionenpore stellt die gezielte Wechselwirkung mit den Spannungssensoren der NaV-Kanäle einen wirkungsvollen Mechanismus dar. Dieser liegt auch der Aktivität der langkettigen α- und β-Toxine aus Skorpionen zugrunde. Diese strukturell sehr homologen Peptidtoxine von ca. 65-72 Aminosäuren Länge führen in erster Linie zu einer Aktivierung von NaV-Kanälen (gain-of-function effect), was eine neuronale Hypererregbarkeit zur Folge hat. Darüber hinaus wurde aber auch besonders bei β-Toxinen eine gegenteilige physiologische Wirkung beschrieben. Ziel dieses Projektes war es herauszufinden, wie α- und β-Toxine an NaV-Kanälen andocken und damit eine Kanal-Subtypspezifität erlangen, nach welchen molekularen Mechanismen die Toxine wirken und inwiefern die Wirkungen von α- und β-Toxinen mit denen der sehr viel kleineren δ- und μO-Conotoxinen aus marinen Kegelschnecken zu vergleichen sind. Durch die Herstellung von Chimären aus unterschiedlichen NaV-Kanälen und deren funktionelle Untersuchung mit elektrophysiologischen Methoden konnte gezeigt werden, dass α- und β-Toxine trotz ihrer sehr ähnlichen Struktur auf vollkommen unterschiedlichen Weise die NaV-Kanäle beeinflussen, da sie mit unterschiedlichen Spannungssensoren (α: Domäne-4; β: Domäne-2) interagieren. Die Subtypspezifität speziell von β-Toxinen wird aber über eine weitere Interaktion mit der Porenregion von Domäne-3 vermittelt, wobei die Porenregion von Domäne-1 bei α-Toxinen eine tragende Rolle spielt. α- und β-Toxine docken somit rotationsymmetrisch an der Außenseite der NaV-Kanäle an. Im Bereich der kurzkettigen (ca. 25 Aminosäuren) Conotoxine haben δ-Conotoxine ähnliche Wirkungen wie Skorpion-α-Toxine und können sogar synergistisch wirken. O-Conotoxine hingegen sind funktionell den Skorpion-β-Toxinen sehr ähnlich und zeigen Kompetition mit diesen. Allerdings vermögen O-Conotoxine den Spannungssensor von Domäne-2 nur in seiner Aktivierung zu behindern, während β-Toxine zusätzlich auch das Abschalten aktivierter NaV-Kanäle verlangsamen. Je nach Aktivitätsrate des Kanals führen β-Toxine demnach zu einer Inhibition oder zu einer gesteigerten Aktivierung des Kanals, womit eine molekulare Erklärung für die organismischen Wirkungen von β-Toxinen, nämlich erregend (excitatory) und hemmend (depressant), gefunden werden konnte.