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Situativer Ausdruck bei Demenz: Von der Hexis zur Deixis
Antragsteller
Dr. Erik Norman Dzwiza-Ohlsen
Fachliche Zuordnung
Theoretische Philosophie
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 534355849
Das Projekt zielt auf eine Weiterentwicklung von Pflege und Therapie bei Demenz durch philosophische Begriffs- und Theoriearbeit. Die Forschungsfrage ist, inwiefern die Erforschung des Zeigens (Deixis) die Interaktion und Kommunikation bei Demenz verbessern kann. Dazu verfolgt das Projekt drei Unterziele. Es entfaltet eine begriffliche Taxonomie der Deixis und unterscheidet drei Modi: die verbale (z.B. Pronomina), korporale (z.B. Zeigegesten) und die mediale Deixis (z.B. Pfeile); es erschließt das therapeutische und pflegerische Potenzial der Deixis bei Demenz angesichts des progressiven Erinnerungs-, Sprach- und Orientierungsverlustes; und es erforscht die Situativität menschlicher Erfahrung im Allgemeinen und des situativen Ausdrucks im Besonderen vermittels der Deixis. Seit circa drei Dekaden findet eine umfassende philosophische Auseinandersetzung mit Demenz statt. Dabei ist der Diskurs um die Identität von Person und Selbst leitend, in dem sich defizit- von ressourcenorientierten Ansätzen unterscheiden lassen: Erstere betonen, dass die Defizite die Grundlagen personaler Identität auslöschen; zweitere betonen, dass wichtige Ressourcen personaler Identität auch in fortgeschrittenen Stadien erhalten bleiben. Das Forschungsprojekt verortet sich auf der ressourcenorientierten Seite, da Pflege und Therapie bei Demenz durch Begriffs- und Theoriearbeit weiterentwickeln will. Das Projekt verknüpft die Stärken zweier ressourcenorientierter Ansätze – einerseits Positioning-Theorien, die den indexikalischen Ausdruck in alltäglichen Konversationen analysieren und andererseits Embodiment-Theorien, die den habituellen (Hexis) Ausdruck als verkörpertes Langzeitgedächtnis konzeptualisieren –, um zwei zentrale Desiderate der Demenzforschung zu adressieren: Erstens wird angesichts des progressiven Verlustes der Sprachfähigkeit immer wieder die hohe Bedeutsamkeit des verkörperten Ausdrucks bei Demenz betont; allerdings ist die korporale Deixis, anders als die korporale Hexis, nur unzureichend erforscht; zweitens lieferten (neo-)phänomenologische Beiträge Grundlagenarbeit zur medialen Deixis; allerdings wurden diese Erkenntnisse bisher nicht auf Bereiche der Demenzforschung angewendet, die angesichts des Orientierungsverlustes die mediale Umweltgestaltung durch Kunst, Design, Architektur oder Technik in den Blick rücken. Im Resultat erweitert das Projekt die verbale Deixis um zwei ausgezeichnete Modi der non-verbalen Deixis: Einerseits die korporale Deixis, die im kommunikativen Nahfeld orientiert und andererseits die mediale Deixis, die im räumlichen Umfeld orientiert. Derart werden vieldiskutierte Theorieangebote im Schnittfeld von Philosophie, Kognitions- und Lebenswissenschaften in den Dialog gebracht. Durch die begriffliche und konzeptionelle Weiterentwicklung des situativen Ausdrucks wird es möglich, konkrete Schlussfolgerungen für die pflegerische und therapeutische Praxis abzuleiten sowie Hypothesen für die Experimentalforschung zu formulieren.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen