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Antiautoritäre Autorschaft in Russland von 1960 bis heute
Antragstellerin
Dr. Ekaterina Vassilieva
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 522279906
Das geplante Projekt soll das Phänomen der „antiautoritären Autorschaft“ als einer besonderen Beziehung zwischen Autor:in, Text und Lesepublikum in Russland von 1960 bis heute untersuchen und ihre Rolle bei der Bildung eines aktiven politischen Subjekts herausarbeiten. Die Texte werden dabei nicht nur als ein Instrument des Widerstandes, sondern als seine Voraussetzung verstanden, da sie eine bestimmte Form von Subjektivität hervorbringen, die sich dem Autoritarismus verweigert. Die historische Perspektive dient in diesem Zusammenhang einer Neubewertung der sowjetischen Dissidentenbewegung und ihres Fortlebens in der heutigen Protestkultur. Trotz der auffälligen Verbindungslinien und Parallelen zwischen der Dissidentenbewegung und dem demokratischen Reformprozess während der Perestrojka beziehungsweise der postsowjetischen Protestkultur fehlt immer noch eine Untersuchung, die diesen Zusammenhang systematisch beschreibt. Diese Forschungslücke soll durch das vorliegende Projekt ausgefüllt werden. Es besteht in der neuesten Forschung grundsätzlich ein großes Interesse an der politischen Dimension der Autorschaft und an den Möglichkeiten künstlerischer Reflexionen über und Interventionen in die Politik. 2021 ist mein Buch Fantasie an der Macht. Literarische und politische Autorschaft im heutigen Russland erschienen. Der Fokus dieser Arbeit lag auf den ideologischen Strategien, die sich auf die aus der Kunst entlehnten Verfahren stützen und dem Autoritarismus eine besondere Flexibilität verleihen. Das vorliegende Projekt soll nun an diese Überlegungen anknüpfen und widmet sich einer Gegenbewegung zur ideologischen Vereinnahmung der Kunst, die sich prägnant im Phänomen der „antiautoritären Autorschaft“ manifestiert und zum Aufbau alternativer Wertvorstellungen in der Gesellschaft beiträgt. Im Rahmen des Projekts sollen gesellschaftliche Bedingungen und ästhetische Strategien einer antiautoritären Schreibpraxis in Russland seit 1960 untersucht werden. Obwohl sich die antiautoritäre Autorschaft auf alle Medien (bildende Kunst, Film, Musik und andere) erstrecken kann, werde ich mich hauptsächlich auf schriftliche Texte beschränken, wobei ausdrücklich keine scharfe Trennlinie zwischen literarischer Produktion im engeren Sinne und anderen Textsorten gezogen wird. Ausschlaggebend ist die Teilnahme an einem Diskurs, der die Strukturen eines autokratischen Staates direkt oder indirekt in Frage stellt und somit neue, aktive Subjektpositionen verhandelt. Da die politische Subjektivierung einen wichtigen Faktor bei der Entwicklung einer Zivilgesellschaft darstellt, will diese Arbeit auch als ein Beitrag zur Diskussion über die Möglichkeiten einer zukünftigen Demokratisierung Russlands verstanden werden. Angesichts des durch den russischen Autoritarismus aktuell verursachten Angriffskrieges gegen die Ukraine gewinnt diese Fragestellung eine zunehmende Brisanz.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen