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Globale Governance, lokale Dynamiken. Transnationale Gnadenregime der Apostolischen Datarie in Rom (17. Jahrhundert)
Antragstellerinnen / Antragsteller
Professor Dr. Martin Baumeister; Professorin Dr. Birgit Emich
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 510246510
GRACEFUL17 ist ein deutsch-französischer Forschungsverbund zwischen der École Nationale des Chartes, der Goethe-Universität Frankfurt, der École française und dem Deutschen Historischen Institut in Rom sowie der Universität Reims, der ein in jeder Hinsicht grenzüberschreitendes Thema untersuchen will: das päpstliche Gnadenregime der Frühen Neuzeit. Dieses kaum erforschte System der Gnadenvergabe an Bittsteller zwischen dem Atlantik, Europa und dem Indopazifik florierte gerade dann, als es eigentlich hätte absterben müssen: Das Bild der Frühen Neuzeit als Epoche der Fürsten, deren absolutistische Staatsbildung antiquierten Formen der päpstlichen Gnadenverwaltung entgegenstand, bedarf der Revision. Dies umfasst nicht nur eine empirische Korrektur. Nötig ist auch eine hermeneutische Verschiebung, die ein besseres Verständnis von Autorität und von solchen autoritativen Handlungen erlaubt, die bislang unter dem Radar der Historiker geblieben sind. In scharfem Kontrast zum gängigen Verständnis von Macht wurde Gnade als eine unendliche Ressource operationalisiert, die von der sakramentalen Absolution bis zur Abwicklung von Transaktionen kirchlichen Eigentums reichte und mit diesem Spektrum in der katholischen Christenheit nicht nur über Seelen, sondern auch über Untertanen regierte. Rechnung zu tragen ist dem reaktiven Regierungsstil frühneuzeitlicher europäischer Gemeinwesen. Die Top-down-Darstellung der Zentralisierung wollen wir durch eine Bottom-up-Analyse von Gnadenregimen ersetzen: Impulse aus den glokalen Peripherien speisten ein polymorphes Zentrum; globale Governance wurde durch lokale Dynamiken untermauert. Um die enormen Aktenbestände der Datarie als zuständiger Behörde zu erschließen und die daraus resultierende Datenmenge zu bewältigen, kombiniert unser Forschungsprogramm mehrere Komponenten. Während die Teamforschungskomponente repräsentative statistische Daten über die allgemeinen Dimensionen der päpstlichen Gnadenregelungen im 17. Jahrhundert liefert, analysiert die monographische Komponente in Form von Fallstudien die lokale Dynamik hinter den dürren Zahlen aus den päpstlichen Registern. Steht in diesen Detailstudien eine bestimmte Art der päpstlichen Gnade – die Vergabe niederer kirchlicher Ämter vor Ort auf Kosten lokaler Rekrutierungswege – im Zentrum, so versucht die transversale Komponente mit dem geplanten „Companion to Grace“ das gesamte Spektrum päpstlicher Gnaden zu erfassen. Die Digital-Humanities-Komponente macht das Vorhaben zu einem Pilotprojekt für die Entwicklung digitaler Datenmanagement- und Forschungswerkzeuge und will die Lebensdauer und Zugänglichkeit unserer Daten über das Projekt hinaus verlängern. Und schließlich dient GRACEFUL17 mit seiner Trainingskomponente der Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern, mit deren Hilfe Gnade als Organisationsprinzip menschlicher Kollektive wieder auf die Forschungsagenda der Geisteswissenschaften sowie der Anthropologie, Sozial- und Politikwissenschaften gesetzt werden soll.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich, Italien
Mitverantwortliche
Bruno Boute, Ph.D.; Dr. Jörg Hörnschemeyer
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner
Professor Dr. Bertrand Marceau; Dr. Laura Pettinaroli; Professor Dr. Olivier Poncet