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Schwarze und taube westliche Missionare und Gehörlosenbildung in Ghana und Nigeria: Leben und Werk von Berta und Andrew Foster – eine globalgeschichtliche Fallstudie

Antragstellerin Dr. Anja Werner
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Afrika-, Amerika- und Ozeanienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 503183972
 
In meiner geplanten exemplarischen, globalgeschichtlichen Fallstudie untersuche ich die westlichen Missionare Andrew Jackson Foster (1925-1987) und Berta Zuther Foster (1939-2018), die seit 1957 32 Schulen und Kirchen für taube Menschen in 13 afrikanischen Ländern gründeten. Beide waren taub. Bisher fokussierten amerikanische, ghanaische und nigerianische Wissenschaftler:innen Andrew als tauben afroamerikanischen Missionar. Doch obwohl Andrew selbst betonte, wie wichtig Berta für seine Arbeit war, wissen wir kaum etwas über sie. Wichtige neue Erkenntnisse können aus Bertas Perspektive gewonnen werden: Sie war Deutsche. Mit vier Jahren verlor sie ihr Gehör. In den 1940er und 1950er Jahren erhielt sie Lautsprachunterricht in West-Berlin, d.h. sie lernte Lippenlesen und Artikulation, nicht aber Gebärden. Obwohl sie begabt war, konnte sie nur Schneiderin werden, während ihre hörenden Geschwister studierten. Erst von Andrew lernte sie zu gebärden und ihr Potenzial zu entfalten. Im Laufe ihres Lebens durchlief sie eine beeindruckende Entwicklung von Beobachterin und Mentee zu beruflicher Partnerin, Ehefrau, fünffacher Mutter und ab 1987 schließlich Leiterin der von Andrew 1956 gegründeten Christian Mission for the Deaf (CMD). Das Ziel meines geplanten Projekts ist eine umfassend recherchierte und kontextualisierte Gruppenbiographie von Andrew und Berta Foster aus Bertas Perspektive. Ich werde Berta als aktive Akteurin vorstellen und Andrew als afrikastämmigen Gehörlosenpädagogen neubewerten. Ich werde die miteinander verflochtenen Leben und Aktivitäten der Fosters im Kontext der Dekolonisierung mit intersektionalen, interdisziplinären und transkulturellen Mitteln untersuchen. Die komplexe Verflechtung von (De-)Kolonisierung und Bürgerrechtsbewegungen zeigt sich in der Arbeit der Fosters: Als Missionare trugen sie eigentlich zu transkulturellen Prozessen bei, die in kolonialen Strukturen verwurzelt waren. Als taubes Paar kannten sie jedoch die subalterne Seite der Macht. Neben Ethnizität und Geschlecht untersuche ich daher intersektional auch den Aspekt des Hörstatus, indem ich analysiere, wie die Fosters von ihren miteinander verknüpften Erfahrungen als gehörlose, schwarze und weiße, männliche und weibliche Missionare profitiert haben könnten. Darüber hinaus beziehe ich sprachliches, ethnologisches und medizinisches Wissen zum Thema Hörverlust ein. Diese interdisziplinäre Vielfalt verknüpfe ich mit Hilfe historischer Methodik. Nicht zuletzt ermöglichen die Fosters es mit ihren Reisebewegungen auf drei Kontinenten, Ansätze einer transkulturellen Geschichtsschreibung auszuloten. Am Beispiel dieses tauben, deutsch-afroamerikanischen Paares werde ich eine exemplarische Fallstudie erstellen, die transkulturelle Globalgeschichtsforschung illustriert und gleichzeitig wesentlich zu unserem Verständnis dazu beiträgt, wie die Geschichte tauber Menschen als integraler Bestandteil der Geschichtsschreibung schlechthin konstruiert werden kann.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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