Die cytoplasmatisch-kerngenische männliche Sterilität (CMS) stellt einen Phänotyp bei höheren Pflanzen dar, bei dem diese nicht mehr in der Lage sind, funktionsfähigen Pollen auszubilden oder diesen auszuschütten. Bei der Sonnenblume sind über 70 CMS-Quellen beschrieben worden, wobei eine davon, das PET2-Cytoplasma, das auf eine interspezifische Kreuzung von H. petiolaris mit H. annuus zurückgeht, im Rahmen des DFG-Projektes hinsichtlich des Mechanismus, der der männlichen Sterilität und der Fertilitätsrestauration zugrunde liegt, untersucht wurde. Southern Hybridisierungen mit mitochondrialen DNA-Sonden gegen mitochondriale DNA der männlich sterilen PET2-Linie, der fertilen Linie HA89 und der fertilitätsrestaurierten Hybride wiesen PET2-spezifische Unterschiede beim atp6, atp9 und beim cob Gen nach. Nach Klonierung und Sequenzierung der Fragmente konnte gezeigt werden, dass sich das männlich sterile PET2-Cytoplasma durch eine zweite Kopie des atp9 Gens auszeichnet. Durch eine Insertion von 271 bp im 5’-Bereich der Kopie des atp9 Gens kommt es zur Ausbildung von zwei neuen offenen Leserahmen orf288 und orf231. Der orf288 enthält dabei die ersten 53 bp des atp9 Gens, während der orf231 das 3’-Ende des atp9 beinhaltet. Der orf288 kodiert potentiell für ein 11,1 kDa Protein, der orf231 für ein 7,8 kDa Protein. Die Expression der beiden neuen offenen Leserahmen orf288 und orf231 als Cotranskript konnte in Blättern, Röhrenblüten und Antheren von PET2 nachgewiesen werden. In den fertilitätsrestaurierten Hybriden ist dieses Cotranskript in den untersuchten Geweben deutlich reduziert und in den Antheren fast nicht mehr nachweisbar. In der fertilen Linie HA89 fehlt dieses Transkript vollkommen. Die Fertilitätsrestauration erfolgt somit antherenspezifisch auf Transkriptebene durch die fast vollständige Unterdrückung des Cotranskriptes von orf288 und orf231. Es konnten affinitätsgereinigte Peptidantikörper gegen den orf288 und orf231 erhalten werden, die spezifisch mit den überexprimierten Genprodukten, insbesondere bei Verwendung von Lemo21(DE3), reagierten. Gegen mitochondriale Proteine zeigte der Antikörper gegen orf288 eine sehr starke unspezifische Reaktion gegen ein 57 kDa Protein, aber keine gegen ein Protein der erwarteten Größe. Dies liegt möglicherweise in einer relativ geringen Expression des orfs. Erste Untersuchungen der mitochondrialen Komplexe über BN-PAGE in Kombination mit einer SDS-PAGE deuten darauf hin, dass möglicherweise die Genprodukte des orf288 und des orf231 assoziiert mit dem Komplex V im PET2 vorliegen. Es konnte gezeigt werden, dass es sich bei dem PET2-Cytoplasma um einen anderen molekularen Mechanismus als beim PET1-Cytoplasma handelt, so dass die Nutzung des PET2-Cytoplasmas erlauben würde, die kommerzielle Hybridzüchtung bei der Sonnenblume auf eine breitere genetische Basis zu stellen.