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Hamadab und Meroe: Stadtstrukturen und Kultureinflüsse im Mittleren Niltal während der meroitischen Zeit des afrikanischen Reiches von Kusch

Antragstellerin Dr. Simone Wolf
Fachliche Zuordnung Ägyptische und Vorderasiatische Altertumswissenschaften
Förderung Förderung von 2007 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 46567772
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das 2007 auf Basis substantieller Vorarbeiten begonnene Forschungsprojekt erzielte im Laufe der sechsjährigen Förderung grundlegende Erkenntnisse und neue Perspektiven zu einem für Nordostafrika südlich von Ägypten noch weitgehend unerforschten Thema, der Urbanistik. An Hand zweier benachbarter Stadtsiedlungen, der königlichen Residenz Meroë und der Satellitenstadt Hamadab, wurden urbane Strukturen, Funktionsbereiche und Lebensverhältnisse systematisch und unter Berücksichtigung verschiedener sozio-ökonomischer, kultureller und technologischer Rahmenbedingungen in den Jahrhunderten um die Zeitenwende untersucht. Am Beispiel Hamadab wird erstmals für das Mittlere Niltal der annähernd vollständige Plan einer subsaharischen Stadtsiedlung vorgelegt. Die Ergebnisse veranschaulichen das urbane Konzept ihrer Gründung im 2. Jh. v. Chr. und ihre Entwicklung zu einem irregulär zersiedelten Stadtgefüge im 4./5. Jh. n. Chr. Dies lässt sich klar mit den Prozessen im meroitschen Reich, von einer ökonomisch starken Zentralmacht hin zu deren politscher Dezentralisierung, parallelisieren. Die von einer massiven Mauer umfasste Oberstadt mit einem sakral-administrativen Funktionsbereich, großräumigen Wohnkomplexen sowie Ansätzen einer Infrastruktur mit hierarchisch gegliedertem Straßennetz und Wasserver- und -entsorgung zeugt von einer bedeutenden städtebaulichen Maßnahme in unmittelbarer Nähe zum Machtzentrum Meroë. Die bislang einzigartige Ortsstruktur im noch weitgehend unerforschten Siedlungsraum des Mittleren Niltals stellt die Frage nach der Funktion von Hamadab im antiken Siedlungsgefüge. Als Resultat eines zweckgebundenen Bauprojektes war Hamadab ein staatlich geführter Standort, wahrscheinlich um neue Organisationsformen der Güterproduktion zu schaffen. Architektur und Fundinventare belegen eine Einwohnerschaft nicht-agrarischer Spezialisten, die Textilien, Schmuck und Steinobjekte im häuslichen Umfeld sowie standardisierte Güter aus Keramik, Eisen und Glas in der Vorstadt herstellten. Studien zu Kleinfunden, Siedlungskeramik und Nahrungsresten helfen, urbane Lebensbedingungen und den Einfluss hellenistischen Lebensstiles südlich der Sahara zu verstehen. Komplementär zu Hamadab entsteht mit den Arbeiten zu einem der außergewöhnlichsten Bauwerke meroitischer Zeit, den sog. Royal Baths in Meroë, ein immer umfassenderes Bild von den Lebenswelten der Oberschicht. Seit den Ausgrabungen vor 100 Jahren lassen sich erstmals auf Basis stratifizierter Befunde sowohl Baugeschichte als auch Zeitstellung der prachtvollen Wasseranlage im Kontext der umliegenden Bauwerke der königlichen Stadt näher eingrenzen. Die Anlage erstreckt sich in einem Stadtgebiet nahe der Paläste, das bereits seit napatanischer Zeit vielfältig genutzt wurde, besonders sind Drainagekanäle zur Ableitung von Oberflächenwasser aus der königlichen Stadt. Mit Errichtung der Royal Baths bleibt das Areal nun über einen längeren Zeitraum diesem speziellen Bau vorbehalten, wie fortwährende Modifikationen und Ausbesserungen zeigen. Mit einem großzügigen Garten, einem aufwendigen Wassersystem mit verzweigten Zuleitungen zum Becken, Wasserspielen vor einer Kulisse aus Wandmalereien und Skulpturen sowie einem technisch anspruchsvollen Entwässerungskanal steht der Bau aller Wahrscheinlichkeit nach in Zusammenhang mit einem Festgeschehen. Inspiriert durch kulturelle Kontakte mit den nördlichen Nachbarn und Königshäusern des Mittelmeerraumes boten die Royal Baths eine Inszenierung von Wasser als lebensspendendes Element. In Motiven, Darstellungs- und Bauweisen verschmelzen indigene und fremde Traditionen zu einer eigenen Baugestalt wie Bilderwelt und zeugen von der Rezeptionskraft der Oberschicht in meroitischer Zeit. Mediterrane Kultureinflüsse können im Raum von Meroë in einem größeren Spektrum beobachtet werden als bislang vermutet, zudem wurden sie nach den Ergebnissen beider Teilprojekte offenbar auf breiterer gesellschaftlicher Basis getragen. In der Gesamtschau bietet das Projekt somit nicht nur neue Facetten zur Siedlungsarchäologie und Stadtforschung im Mittleren Niltal, sondern auch darüber hinaus. Die erhobenen Daten beschreiben zwei Varianten urbaner Siedlungen südlich der Sahara und ermöglichen somit die Erforschung überregionaler Fragestellungen zur frühen Urbanisierung Afrikas.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Meroë und Hamadab – Stadtstrukturen und Lebensformen im afrikanischen Reich von Kusch. Die Arbeiten der Kampagnen 2008 und 2009, Archäologischer Anzeiger 2009/2, 215–262
    S. Wolf – P. Wolf – H.-U. Onasch – C. Hof – U. Nowotnick
  • 'Ikria' an der Stadtmauer von Meroë?, in: Koldewey-Gesellschaft (Hrsg.), Bericht über die 46. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung vom 12. bis 16. Mai 2010 in Konstanz (Stuttgart 2012), 89–101
    C. Hof
  • Keramik aus Meroë und Hamadab. Bericht über die ersten Ergebnisse zur Klassifizierung durch Nachbrennen, Archäologischer Anzeiger 2011/2, 247–265
    M. Daszkiewicz – G. Schneider
  • Meroë und Hamadab – Stadtstrukturen und Lebensformen im afrikanischen Reich von Kusch. Die Arbeiten der Kampagne 2010, Archäologischer Anzeiger 2011/2, 213–245
    S. Wolf – P. Wolf – H.-U. Onasch – C. Hof – U. Nowotnick
  • Meroitic Hamadab – a century after its discovery, Sudan & Nubia 18, 2014, 104–120
    P. Wolf – U. Nowotnick – F. Wöß
  • Hellenistic Influence on Ceramics from Meroe and Hamadab (Sudan), in: Traditions and Innovations. Tracking the Development of Pottery from the Late Classical to the Early Imperial Periods, in: Proceedings of the 1st Conference of IARPotHP, Berlin, Nov. 2013, 7th–10th (Wien 2016) 399–414
    U. Nowotnick
 
 

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