Verändert sich die Position von Defekten (Löcher, Versetzungen, Risse, etc.) innerhalb eines elastischen Materials, ändert sich die Gesamtenergie des betrachteten Körpers. Diese Energieänderung, bezogen auf die Defektverlagerung bezeichnet man als materielle Kraft im Rahmen der Eshelbyschen Mechanik. Materielle Kräfte haben ihre Entsprechung in physikalischen Kräften in der klassischen Newtonschen Mechanik. Wie in der Newtonschen Mechanik lassen sich Reziprozitätssätze auch in der Eshelbyschen Mechanik formulieren: Die Änderung der materiellen Kraft an der Stelle 1 infolge einer Defektverlagerung an der Stelle 2 leistet die gleiche Arbeit an der Defektverlagerung an der Stelle 1 wie die Änderung der materiellen Kraft an der Stelle 2 infolge einer Defektverlagerung an der Stelle 1 an der Defektverlagerung an der Stelle 2. Mit Hilfe der Reziprozitätssätze können materielle Einflussflächen bestimmt werde, mit denen man beispielweise unmittelbar ablesen kann, wie sich der Rissspitzenparameter J -Integral in einem geschädigten Material verändert, wenn sich Defekte in der Umgebung einer Rissspitze verlagern bzw. vergrößern. Im Rahme des Forschungsprojets wurde ein Rechenprogramm erstellt, das im Nachgang zu einer Finiten-Elemente-Analyse für praktisch beliebige Riss-Riss- oder Riss-Loch-Konfigurationen diese Einflussflächen berechnet. Mit Hilfe der Einflussflächen erhält man eine unmittelbare Anschauung über die Gefährdung von Strukturen mit Defekten. Bei der Untersuchung von Löchern und Rissen in der Umgebung eines (Haupt-) Risses stelle sich erstaunlicherweise heraus, dass nicht der Defekt, der sich auf der gedachten Verlängerungslinie des Risses (Ligament) befindet, den größten Einfluss auf die Rissspitzenbeanspruchung hat sondern der Defekt, der auf einer um etwa ± 45° zum Ligament geneigten Linie liegt.