Das DFG-Projekt leistete Grundlagenforschung im Spannungsfeld von Literatur-, Musik-, Kultur- und Geschichtswissenschaft. Untersucht wurde ein repräsentativer Korpus von traditionellen und populären Liedern aus dem deutschsprachigen Raum, die im kulturellen Gedächtnis des 20. Jahrhunderts in besonderer Weise verankert sind. Durch jeweils mehrere Editionen werden die rezeptionsgeschichtlich relevanten Erscheinungsformen ausgewählter Lieder dokumentiert und durch wissenschaftlich fundierte Kommentare in ihrem (kultur-)geschichtlichen Kontext verortet und gedeutet. Offengelegt werden insbesondere die vielfältigen ideologischen Vereinnahmungen, denen traditionelle Popularlieder im 20. Jahrhundert ausgesetzt waren. Als Ergebnis liegen 150 Liedmonographien mit Referenzcharakter vor. Sie bilden die Basis des vom Deutschen Volksliedarchiv herausgegeben „Historischkritischen Liederlexikons“ und sind online zugänglich (http://www.liederlexikon.de). Durch den Verzicht auf den definitorisch unscharfen und ideologisch kontaminierten Begriff des „Volksliedes“ als Fixpunkt wissenschaftlichen Arbeitens ist es dem „Historisch-kritischen Liederlexikon“ gelungen, die Rezeption der im kulturellen Gedächtnis des 20. Jahrhunderts verankerten traditionellen Lieder aus einem breiteren Blickwinkel zu betrachten. Im Ergebnis werden hartnäckig tradierte Legenden und Fehlinformationen zur Entstehung und Geschichte einzelner Lieder ausgeräumt, die transnationale Rezeption traditioneller Lieder berücksichtigt, Einflüsse und Wirkmächtigkeit der historischen „Volkslied“-Idee innerhalb der einzelnen Liedgeschichten transparent gemacht, Abgrenzungen zwischen Kunstund Popularliedern weniger als starre Grenzziehung denn als fließende Übergänge verdeutlicht, Prozesse der Kanonisierung und „gelenkten“ Rezeption ebenso nachvollziehbar wie die Konstruktion eines „altdeutschen“ Liedrepertoires. Methodisch gesehen ist das in diesem DFG-Projekt erarbeitete Modell der Kommentierung und Edition auf andere Liedgruppen und -genres übertragbar und auch außerhalb des Deutschen Volksliedarchivs anwendbar. Als Baustein zu einer Dekonstruktion der „Volkslied“-Idee versteht sich das Projekt im Ergebnis als Beitrag zu einem grundlegend neuen wissenschaftlichen Standard kritischer Popularliedforschung.