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Kontinuität und Wandel: Die Besiedlung der Flur "Auf Esch" in Groß-Gerau vom späten 3.-5. Jahrhundert n.Chr. Befunde und Funde zur Erforschung der spätantiken Siedlungsentwicklung im rechtsrheinischen Vorfeld von Mainz/Mogontiacum.

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2007 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 43987370
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Besiedlung des römischen Vicus von Groß-Gerau, „Auf Esch“, endete im 3. Viertel des 3. Jahrhunderts. Die Siedlung wurde von ihren Bewohnern verlassen; flächige Zerstörungen sind nicht nachzuweisen. Die spätantike Besiedlung des Geländes erfolgte nach Ausweis der Funde sowie der stratigraphischen Auswertung der Befunde in frühconstantinischer Zeit im 1. Viertel des 4. Jahrhunderts. Zwei Siedlungs- bzw. Nutzungszonen können dabei unterschieden werden: der Kern der spätantiken Siedlung mit Hofstellen und Nebengebäuden entwickelte sich westlich des aufgelassenen Vicus angrenzend an dessen Gräberfelder. Das Areal der römischen Siedlung hingegen wurde von den Neusiedlern genutzt, um verwertbare Altmaterialien zu sammeln und diese am Ort in Grubenhäusern zu verwerten. Die spätantike Wohnbebauung im Westen der Flur „Auf Esch“ orientierte sich in ihrer Ausrichtung am Verlauf der römischen Fernstraße nach Mainz. Der südliche Graben dieser Straße diente Zeit des Bestehens der Siedlung als zentraler Ort zur Entsorgung von Abfällen. Im Siedlungsbild der Spätantike lassen sich drei Bereiche unterscheiden, in denen jeweils ein Wohnhaus und zugehörige Nebengebäude sowie Brunnen zu fassen sind. Es handelt sich dabei um Bauten, bei denen die tragenden Pfosten der Hauswände in einzelnen Gruben eingestellt waren. Die Häuser entsprechen in Ihren Grundrissen germanischen Hausformen der römischen Kaiserzeit. Teilweise erfolgte die Abtrennung der einzelnen Hofstellen durch Zäune. Neben dem zur Müllentsorgung genutzten Straßengraben fehlen Hinweise auf gemeinschaftlich genutzte Einrichtungen in der Siedlung. Im Befund sind Überschneidungen kaum zu beobachten; ebenso selten finden sich Hinweise auf größere Umbau- bzw. Ausbesserungsmaßnahmen an den Häusern. Vieles spricht dafür, dass die Gebäude nur über wenige Jahrzehnte hinweg bestanden. Das bei den Grabungen geborgene Fundmaterial (knapp 2.500 Katalog-Nummern) besteht zu großen Teilen aus handaufgebauter Keramik, die am Ort vermutlich im Feldbrand hergestellt wurde. Die Ware weist auf elbgermanische Traditionen der hier siedelnden Bevölkerung hin. Römische Sachgüter sind mit Ausnahme von Keramik im Fundbestand kaum vorhanden. Eine Ausnahme davon bildet allein die aus rund 300 Exemplaren bestehende Münzreihe, die eine den linksrheinischen Verhältnissen nahezu identische Zusammensetzung aufweist. . Nach Aufarbeitung der Funde ist davon auszugehen, dass die Bevölkerung der spätantiken Siedlung von „Auf Esch“ aus Alamannen bestand. Eine romanisierte Bevölkerung ist am Ort nicht nachzuweisen. Nicht nur im agrarischen Bereich lassen sich deutliche Hinweise auf die am Ort betriebene Subsistenzwirtschaft aufführen. Die nachgewiesene Produktion von Keramik, Metallgegenständen und Beingeräten diente alleine dem Eigenbedarf. Das Münzgeld wurde als Zahlungsmittel für Sachgüter aus linksrheinischen Werkstätten benötigt, diente aber darüber hinaus als Rohstoff für die Metallverarbeitung. Auch wenn sich unter den Münzen Prägungen aus dem letzten Viertel des 3. Jahrhunderts n. Chr. befinden, so wird man mit einem Beginn der spätantiken Siedlungstätigkeit nicht vor dem 1. Viertel des 4. Jahrhunderts zu rechnen haben. Die Siedlung bestand offenbar nur wenige Jahrzehnte und wurde im 3. Viertel des 4. Jahrhunderts aufgelassen. Die Auswertung der Befunde und Funde der spätantiken Siedlung von „Auf Esch“ erlaubt somit einen in vielerlei Hinsicht neuen und detaillierten Blick auf die Verhältnisse im Vorfeld der Provinzhauptstadt Mogontiacum/Mainz im Untersuchungszeitraum. Mit Abschluss des Projektes zur spätantiken Besiedlung von Groß-Gerau, „Auf Esch“, ist es erstmalig für den Norden des rechtsrheinischen Teils der Provinz Obergermanien gelungen, die Entwicklung einer geschlossenen Siedlung vom 1. bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. darzustellen. Sowohl bei der Auswertung der Befunde und Funde des römischen Vicus als auch bei der Aufarbeitung der spätesten Siedlungsphase erwies sich dabei die an gezielten Fragestellungen orientierte Einbindung naturwissenschaftlicher Untersuchungen als zielführend. Im Zusammenspiel der antiquarisch-historischen Auswertung mit den Resultaten der naturwissenschaftlichen Analysen entstand ein ungewöhnlich detailreiches, dichtes Bild der rund dreihundertjährigen Siedlungsgeschichte der Flur „Auf Esch“. Diese Vorgehensweise mag in methodischer Hinsicht einen Modelcharakter für folgende Untersuchungen besitzen. Die langjährigen Forschungen der Abt. II des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Universität Frankfurt/M. in Groß-Gerau finden damit vorerst einen Abschluss.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Zeitenwende? Römer und Germanen in Groß-Gerau vom 3.-5. Jahrhundert n. Chr. Denkmalpfl. u. Kulturgesch. Hessen 3/2009, 2-6
    C. Wenzel
 
 

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