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Mehrskalendynamik hysteretischer Phasengrenzen
Antragsteller
Professor Dr. Michael Herrmann (†)
Fachliche Zuordnung
Mathematik
Förderung
Förderung von 2019 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 438823303
In vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften treten sogenannte Vorwärts-Rückwärts-Diffusionsgleichungen auf, aber diese Gleichungen lassen eine Vielzahl möglicher Lösungen zu und sind daher aus mathematischer Sicht schlecht gestellt. Die physikalisch relevanten Lösungen werden dabei durch mikroskopische Details bestimmt, die durch regularisierende Zusatzterme modelliert werden und Effekte auf kleinen räumlichen Skalen oder schnelle interne Relaxationsprozesse berücksichtigen. Das bekannteste Beispiel ist die Cahn-Hilliard-Gleichung, die in den letzten Jahrzehnten sehr intensiv untersucht wurde und für die der entsprechende Grenzflächenlimes sehr gut verstanden ist.Eine weitere Regularisierung ist die Viskose Approximation, bei der die zusätzliche singuläre Störung durch eine gemischte Ableitung dritter Ordnung gegeben ist. Diese Gleichung wurde von vielen namhaften Autoren untersucht und durch formale asymptotische Analysis konnte bereits gezeigt werden, dass der Grenzflächenlimes durch eine hysteretische Fließregel bestimmt wird und daher eine sehr viel komplexere Dynamik von freien Phasengrenzen zu erwarten ist. Insbesondere werden die Phasenübergänge nun durch Gedächtniseffekte beeinflusst, da die zugrunde liegende Auswahlregel nicht nur vom aktuellen Zustand des Systems, sondern auch von dessen Vergangenheit abhängt. Eine mathematisch rigorose Rechtfertigung dieser Hysterese-Effekte konnte jedoch bisher nicht gegeben werden. Die wesentlichen mathematischen Probleme resultieren dabei aus den starken mikroskopischen Fluktuationen, die permanent in der Nähe von sich bewegenden Phasengrenzen produziert werden und die die Regularität der Lösungen in sehr negativer Weise beeinflussen.In diesem Projekt wollen wir beweisen, dass das Grenzflächenregime der viskosen Regularisierung tatsächlich durch ein Freies Randwertproblem mit einer hysteretischen Stefan-Bedingung bestimmt wird. Im ersten Schritt werden wir das Problem für stückweise lineare Nichtlinearitäten und wohl- präparierte Anfangsdaten untersuchen, wobei diese Vereinfachungen durch frühere Arbeiten zu Gittersystemen sowie erste Simulationen der viskosen Gleichung motiviert sind. Insbesondere wollen wir explizite asympotische Formeln für die Fluktuationen ableiten und mit deren Hilfe die effektive Dynamik von Phasengrenzen charakterisieren. Ein wesentliches Hilfsmittel werden dabei geeignete Zeitdiskretisierungen der viskosen Regularisierung sein, da mit ihnen sowohl die dynamische Position der Phasengrenze als auch die verschiedenen Propagationsmoden recht einfach kontrolliert werden können.Im zweiten Teil wollen wir unsere Ergebnisse auf allgemeinere bistabile Funktionen ausweiten und die Konvergenz der zugrunde liegenden Gradientenfluss-Struktur untersuchen. Weiterhin wollen wir den viskosen Grenzflächenlimes in zwei Raumdimensionen mittels numerischer Simulationen und formaler asymptotischer Analysis studieren.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen