Spontane Ramanstreuung an isolierten Wasserstoffbrückenaggregaten: Mehrfachanregung und Energietransfer im Überschallstrahl
Final Report Abstract
Ramanspektroskopie in Überschallgasexpansionen wurde angewandt und im Temperatur- und Laserleistungsbereich maßgeblich erweitert, um die Struktur und Dynamik von Kettenmolekülen und Molekülaggregaten aufzuklären. Zwei Schlüsselergebnisse des Projekts stellen der theoretischen Chemie experimentelle Referenzdaten zur Verfügung, mit denen die Leistungsfähigkeit quantenchemischer Methoden für wichtige Molekülsysteme überprüft werden kann. Für das wohl häufigste Molekül auf der Erde, H2O, wurde durch die erste Messung und Zuordnung von linearen Ramanspektren der kleinsten Molekülaggregate aus zwei bis fünf Wassereinheiten bestimmt, wie stark die Moleküle miteinander koppeln, wenn ihre OH-Schwingung in der Wasserstoffbrücke angeregt wird. Daraus lässt sich ermitteln, wie rasch die Schwingungsenergie von einem zum nächsten Molekül wandert, wie kurz also das Anregungsgedächtnis von Wasser auf der Femtosekundenzeitskala ist. Es zeigt sich, dass die besten zur Zeit verfügbaren analytischen Modelle für Wasseraggregate diesen Energiefluss etwa 2-3-fach unterschätzen und daher korrigiert werden müssen. In ähnlicher Weise konnten gemischte Aggregate aus Alkoholen und Wasser in der Gasphase schwingungsspektroskopisch charakterisiert werden. Für das wohl wichtigste synthetische Polymer, Polyethylen, konnte durch experimentelle Extrapolation der Raman-aktiven Akkordeonschwingung und durch Nachweis der Faltung von Alkanketten zu Haarnadelstrukturen bei tiefen Temperaturen das Wechselspiel inner- und zwischenmolekularer Kräfte bestimmt werden. So weiß man jetzt experimentell, dass ab 18±1 Kettensegmenten die gefaltete Struktur stabiler ist als die gestreckte und dass der Elastizitätsmodul einer unendlichen gestreckten Polyethylenkette mit 305±5 GPa vergleichbar mit demjenigen von Stahl ist. Theoretische Modelle, die die Knickenergie, die van der Waals-Kräfte zwischen den Kettensegmenten und die Valenzkräfte in Polyethylen korrekt beschreiben wollen, müssen sich an diesen Referenzwerten messen lassen. Auch für Polytetrafluorethylen konnte der Elastizitätsmodul in der Gasphase bestimmt werden. In kürzeren Kettenmolekülen konnten subtile Konformationspräferenzen durch schwache Wasserstoffbrücken aufgeklärt werden, so die knappe Bevorzugung einer gefalteten Struktur beim Trifluorpropanol und die energetische Lage der wasserstoffverbrückten Struktur von Monoglyme, dem Grundkörper der medizinisch und technisch wichtigen Polyethylenglycole. Für das Ethylenglycol selbst ist durch Kombination von Infrarot- und Ramanspektren ein völlig neues, hochsymmetrisches und überragend stabiles Paarbildungsmuster entdeckt worden, das die drei Kettenkonformationswinkel des Bindungspartners auf exakt komplementäre Werte zwingt. In all diesen Füllen sind der Quantenchemie nun verlässliche experimentelle Referenzdaten an die Hand gegeben, um Elektronenkorrelationsmethoden, Basissätze und Nullpunktsenergien zu überprüfen. In vielen weiteren Molekülaggregaten konnte durch Ramanspektroskopie komplementäre Information gewonnen werden, die der Strukturaufklärung (z.B. beim einfachsten Zuckermolekuül Glycoladehyd oder bei der Komplexierung von Aromaten durch moderne Inhalationsanästhetika), der Chiralitätserkennung (z.B. beim händigen Indanolmolekül) oder der genauen experimentellen Bindungsenergiebestimmung (im Dimer der Ameisensäure) dient. Die Kombination von Infrarotanregung von Molekülen mit Ramandetektion und der Einsatz von schwachen Ramananregungslasern bei Überschallstrahlmessungen durch aktive Resonatorverstärkung sind intensiv versucht, aber noch nicht überzeugend realisiert worden. Sie werden auch nach Projektende weiter verfolgt.
Publications
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