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Investitionen und Praktiken der Refinanzierung in der Krise: Analyse der Buchführung von Handels- und Bankgesellschaften sowie von Capitalist Rentiers im Florenz und im Augsburg des 16. Jahrhunderts
Antragsteller
Privatdozent Dr. Heinrich Lang
Fachliche Zuordnung
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Förderung
Förderung seit 2018
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 411846816
Das Thema des zur Fortsetzung beantragten Projektes ist die Diversifizierung von Praktiken der Investition und der Refinanzierung von familialen Vermögensbeständen in der Wirtschaft der Renaissance. Als für diese Entwicklungen emblematische Figur des Capitalist Rentiers erscheint der Papstbankierssohn Alamanno Salviati (1510-1571), der als einziger verbleibender männlicher Erbe ohne geistliche Karriere den Reichtum an Unternehmensanteilen, Immobilien und Geld verwaltete und zusätzlich das Erbe seines Schwiegervaters Giovanni Serristori übernahm. Der paradox angelegte Begriff des Capitalist Rentiers meint dabei den Erben eines großen, im Handel- und Bankwesen erworbenen Vermögens, das in verschiedene Bereiche wie Unternehmensanteile, Anlagepapiere und Landwirtschaft investiert wurde, um es zu verstetigen und zu mehren. Alamanno Salviati tätigte seine Investitionen in den Handel mit Wechselpapieren oder in Geschäftsanteile über seine Bankiers, zu denen von 1555 bis 1558 auch sein entfernter Cousin Filippo Salviati in Venedig zählte. Die Perspektive auf diese Prozesse ist diejenige der als komplexe Datenverarbeitungsprozesse begriffenen unternehmerischen und persönlichen Buchführung. Die vollständige und hier erstmals ausgewertete Überlieferung der Buchführungen – Rechnungsbücher und ausgehende Korrespondenzen – von Alamanno Salviatis persönlichen Büchern und von Filippo Salviati & Co in Venedig ermöglicht eine ebenso tiefgehende wie innovative Interpretation der Praktiken von Investition und Refinanzierung als Ausformungen eines spezifischen Wirtschaftens. Als Kontrastfolie eines strukturellen Vergleichs werden verschiedene Firmenbuchhaltungsfragmente und Erbenbücher aus dem Augsburger Kontext herangezogen, weil sich Vermögensakkumulation und Praktiken der Refinanzierung in den Handelsstädten nördlich und südlich der Alpen ähnelten. Durch den handlungstheoretisch ausgelegten Ansatz zur Analyse von Buchführungen wird eine vollständige Materialerfassung im synoptischen Blick mit der Deutung von ökonomischen Handlungsmustern verknüpft. Für die Vermögensbildung durch Renditen war die Dynamik von Secondary Markets eine wesentliche Bedingung. Secondary Markets meint hierbei an insbesondere die Herrscherfinanzen über den Wechselhandel angelagerte Märkte. Die Entwicklungen bei der Entkopplung von Waren- und Wechselmärkten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die die Secondary Markets massiv expandieren ließ, wurde durch die Entstehung von Buchgeld bedingt. In der Folge sind die Reaktionsmuster auf die Krisen der Herrscherfinanzen in der Jahrhundertmitte und deren Wirkung auf die Refinanzierungsstrategien ein Schlüssel zum Verständnis der Kultur des Kapitalismus der Renaissance.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen