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Autobiographie/Autofiktionalität, Zeitkonstitution und Geschichtsbewusstsein bei Augustinus: Die Einheit der 'Confessiones' vor dem Hintergrund der Ostia-Perspektive.
Antragsteller
Privatdozent Dr. Friedemann Drews
Fachliche Zuordnung
Griechische und Lateinische Philologie
Evangelische Theologie
Geschichte der Philosophie
Katholische Theologie
Evangelische Theologie
Geschichte der Philosophie
Katholische Theologie
Förderung
Förderung von 2018 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 407958509
In der Literaturwissenschaft wird derzeit der Begriff 'Autofiktionalität' (im Sinn einer vom Erzähler 'fingierten Wahrheit') intensiv diskutiert, z.B. mit Blick auf Ovids Amores: Während sich dort eine Diskurstrennung zwischen Faktualität und Fiktionalität nachweisen lässt, gilt dies nach meiner These für Augustins Confessiones so nicht: Zwar stellt das bekannteste Werk des Kirchenvaters nicht einfach einen historischen Tatsachenbericht dar; umgekehrt ist es aber ebenfalls nicht das Ergebnis einer produktiven Einbildungskraft, also auch nicht als (auto-)fiktional zu bezeichnen. Vielmehr sind die Conf. ganz auf das Thema Selbsterkenntnis ausgerichtet (im Angesicht des von Augustinus geglaubten Gottes). Dieser geistige Prozess beinhaltet die Reflexion solcher Erlebnisse, welche für das erinnernde Subjekt von entscheidender Lebensrelevanz sind: Diese Bedeutung speist sich einerseits aus den 'Ereignissen an sich', insofern sie einen historischen Kern haben können, andererseits aus ihrem sachlich zu begreifenden und emotional nachzuempfindenden Gehalt, der ein Ereignis für den Erlebenden und Erinnernden als solches jeweils wesentlich bestimmt und ausmacht. Dieses innere geistige Erleben und Selbstdeuten ist von sich selbst her keinesfalls 'objektiv beobachtbar', sondern muss im Text als solches erst in eine Nachvollziehbarkeit für die Leser entfaltet werden, ohne 'fiktiv' zu sein. In den Conf. privilegiert der Erzähler Augustinus daher ein autobiographisches Interesse, welches ganz der Selbsterkenntnis und einem subjektiv reflektierten Geschichtsbewusstsein dienen will.Letzteres ist eng an Augustins Zeittheorie gekoppelt. Angesichts der vielen Untersuchungen zu diesem Thema ist zu zeigen, warum sein Zeitverständnis weder einem rein 'objektiv'-physikalisch verstandenen noch einem bloß subjektiven Zeitverständnis das Wort redet: Gemäß Conf. 11 werden physikalische Veränderungen erst durch die Erkenntnisaktivität der Seele als aktuale Zeit konstituiert, insofern 'Seele' das Zueinander von Ursache und Wirkung, von Früher und Später aktual erfasst und bereits vergangene Aspekte materieller Veränderungen mit gegenwärtigen bzw. zukünftigen zusammendenkt (Beispiel Lied), also Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in die innerseelische "dreifache Gegenwart" von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erhebt. 'Aktuale Zeit' ist somit nicht zwingend immer schon für jeden Menschen dieselbe. Gleichwohl redet der Kirchenvater damit nicht sog. 'alternative facts' (avant la lettre) das Wort, denn es bleibt gemäß dieser Theorie immer begründbar, warum etwas genau so und nicht anders erlebt und erkannt wurde/wird. Somit besteht ein rationales Kriterium, weshalb nicht einfach Beliebiges behauptet werden kann – in Unterscheidung auch zu Fiktionen, welche in ihrem subjektiven Imaginiertwerden nicht an Begründungskriterien gemessen werden können und müssen.Von diesem Zusammenhängen sowie der Ostia-Vision (Conf. 9) aus soll die innere Einheit der Conf. neu erwiesen werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Großbritannien
Kooperationspartnerin
Professorin Dr. Karla Pollmann