Ikonographie auf wissenschaftlichen Instrumenten der Frühen Neuzeit
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In der Wissenschaftlichen Revolution des 16. bis 18. Jahrhunderts spielten wissenschaftliche Instrumente (z.B. Astrolabien, Luftpumpen oder Mikro- und Teleskope) eine zentrale Rolle für das Studium und die aktive Befragung der Natur. Das Vorhaben Ikonographie auf wissenschaftlichen Instrumenten der Frühen Neuzeit untersuchte gezielt die Bilderwelten auf wissenschaftlichen Instrumenten. Ziel des Projektes war, sich der Vielfalt dieser Bilder erstmals systematisch anzunähern und nach ihren Bedeutungen in den Entstehungs-, Funktions- und Nutzungskontexten der sie tragenden Instrumente zu fragen. Es stellte sich heraus, dass sich grundsätzlich vier Typen von Bildthemen unterscheiden lassen, nämlich (1) Mitteilung und Veranschaulichung von Wissen, (2) zeitgenössische Standardtopoi, (3) Abbildungen aus dem Bereich der mathematischen Wissenschaften, (4) Legitimierungsstrategien, Traditionskonstruktion und Selbstinszenierung. Es wurden 251 Instrumente untersucht, auf denen sich insgesamt 403 Bildzyklen befinden. Die Zeitspanne reicht von ca. 1450 bis ca. 1750, wobei aus dem 15. und dem 18. Jahrhundert jeweils nur eine Handvoll Objekte stammt. Die Mehrheit konzentriert sich auf das 16. und 17. Jahrhundert mit einem Übermaß von 4:1 für das 16. Jahrhundert. In der Lokalisierung der Instrumentenhersteller liegt der Fokus eindeutig auf Süddeutschland mit den bekannten Goldschmiedezentren Augsburg und Nürnberg. England, Frankreich, die Niederlande oder Italien sind unerwarteterweise kaum vertreten. Die Verteilung von Bebilderung auf den unterschiedlichen Instrumententypen ist wenig homogen: Spitzenreiter sind Sonnenuhren, gefolgt von Astrolabien und Tischuhren. Eine ganze Reihe von Instrumenten kommt nur mit ein bis drei Objekten vor. Ein überraschendes Ergebnis ist die Tatsache, dass sich nur zwei Mikroskope mit Bebilderung finden ließen und Fernrohre, Thermometer, Barometer, Luft- bzw. Vakuumpumpen und dergleichen spätere Erfindungen offenbar nie mit szenischen Darstellungen geschmückt wurden. Die meisten Instrumente sind mit nur einer Darstellung versehen. Wirklich komplexe Programme (ab 4 Bildzyklen) sind eine absolute Ausnahme. Die durch das Projekt gewonnene Datenbasis legt den Schluss nahe, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Kunstkammerkultur an deutschen Fürsten-, Königsund Kaiserhöfen und der Nachfrage nach aufwändig szenisch geschmückten Instrumenten. Eine überraschende Erkenntnis ergab sich bezüglich der Positionierung in kosmologischen Theoriedebatten, denn für die beiden seit dem 16. Jahrhundert vielfach als Argumente gegen das heliozentrische Weltbild gebrauchten biblischen Wunder vom Sonnenrückgang auf dem Horologium Ahas (2 Könige 20,1-11; Jes 38,1-8) und dem Stillstand von Sonne und Mond bei der Schlacht von Gibeon (Jos 10,10-18) ließ sich bei ihrer Verbildlichung auf wissenschaftlichen Instrumenten keine antikopernikanische Intention nachweisen. Vielmehr bedienen sie in jedem Programm ganz individuelle Abbildungszwecke.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Analyse des imageries des instruments scientifiques de l’époque moderne (XVIe – XVIIe siècle), in: Images des Mathématiques. La recherche mathématique en mots et en images
Remmert, Volker
- Bilderwelten auf wissenschaftlichen Instrumenten der Frühen Neuzeit und ihre graphischen Vorlagen, in: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde N.F. 27 (2021), S. 107-130
Ellinghaus, Julia
- Visual Worlds on Early Modern Scientific Instruments: Types and Messages, in: Noyes, Ruth S. (Hg.): Reassessing Epistemic Images in the Early Modern World (= Scientiae Studies Series), Amsterdam: Amsterdam University Press (2022)
Ellinghaus, Julia/Remmert, Volker
(Siehe online unter https://doi.org/10.5117/9789463723350_ch07)