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Scipio Aemilianus und die Strategien im Wettbewerb römischer Aristokraten zwischen mittlerer und später Republik

Fachliche Zuordnung Alte Geschichte
Förderung Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 376449813
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Publius Cornelius Scipio Aemilianus, Konsul 147 und 134 v. Chr., machte eine Ausnahmekarriere: Er errang seine Konsulate nur unter der aggressiven Umgehung von Wahlgesetzen, die seine Kandidaturen eigentlich verboten. Aber obwohl seine Karrieregestaltung konfrontativ und widergesetzlich war, tritt uns mit ihm doch nichtsdestoweniger ein typischer Vertreter des römischen Hochadels vor Augen: ein Spross von Familien, die die Geschichte der Republik seit Generationen maßgeblich (und positiv) geprägt hatten, und von deren Mitgliedern die Öffentlichkeit daher in jeder neuen Generation abermalige Großtaten erwartete. Dieser Mechanismus begründete einen Wettbewerbsvorteil für Angehörige dieser traditionellen politischen Häuser, nämlich eine ‚Personenfähigkeit‘, also die Fähigkeit, aufgrund der kollektiven Erfahrungen mit ihren jeweiligen Ahnen korrespondierende Erwartungen an sich selbst zu ziehen, die nur sie erfüllen konnten. Gerade in Krisensituationen neigten römische Wähler dazu, sich in ihrer Entscheidung von einer sozialen Bekanntheit leiten zu lassen und den ihnen bereits bekannten ‚Personen‘ ein größeres Vertrauen entgegenzubringen. Ein konträres Konzept zur Erwartungsbindung stellen hingegen die ‚Rollen‘ dar, die von austauschbaren Individuen ausgefüllt werden können und keine Personenkenntnis voraussetzen. Auch sie haben ihren Platz in der Geschichte der Republik und zeigen sich in Bestrebungen, gerade zu Beginn des 2. Jahrhunderts, etwaige Vorteile im Wettbewerb, die in erster Linie den hochadligen ‚Personen‘ zugutekamen, zu nivellieren und die politische Karriere an eine ganz allgemein erfüllbare Rollenqualifizierung zu binden. Nun war der politische Erfolg personenfähiger Akteure mitnichten ein Automatismus, was sich daran zeigt, dass sich die römische Aristokratie niemals zu einem ‚Erbadel‘ entwickelte; auch Hochadlige konnten scheitern. Dies lag daran, dass ihre Personenfähigkeit zunächst einmal nur ein bloßes Potential darstellte, gesellschaftlich erkannt und anerkannt werden musste, um überhaupt wirksam werden zu können. Die eigene Personalität musste beständig gepflegt und in passenden Situationen zielgerichtet aktiviert werden. An der Biographie des Scipio Aemilianus, der seine Karriere vornehmlich auf seine soziale ‚Person‘ baute, lässt sich exemplarisch nachvollziehen, wie ein Akteur diesen Anforderungen des politischen Wettbewerbs gerecht wurde. Es wird aber auch ersichtlich, auf welche Widerstände er dabei stoßen konnte – nicht allein tagespolitischer, sondern eben auch struktureller Natur, nämlich vonseiten solcher Akteure, die die Ebene der gemeinaristokratischen Rollenqualifizierung gegenüber der exklusiv hochadligen Personenfähigkeit stärken wollten. Es ist dieser strukturelle Konflikt, der den leitenden Fokus des Projekts bildet. Etwas überraschend war, dass sich beim Versuch der eindeutigen Verortung des Scipio Aemilianus in die breiteren Entwicklungslinien der mittleren Republik zeigte, dass deren Geschichte deutlich weniger langfristige Trends aufweist, als es die aus einer Perspektive ex post klar abgrenzbare Epochen konstruierenden Historiker*innen gern hätten. So liegt schon dem für den Betrachtungszeitraum als grundlegend ausgemachten strukturellen Konflikt zwischen den Vertretern der Rollenqualifizierung und denen der Personenfähigkeit eine gewisse Ungleichzeitigkeit zugrunde, immerhin lässt sich kein klarer Trend in der Abfolge beider Seiten ausmachen (was auch daran liegt, dass sich ihr Verhältnis im Normalfall gar nicht als konflikthaft, sondern als komplementär darstellte). Diese mangelnde Eindeutigkeit der Entwicklungslinien wurde, für unterschiedliche Sektoren gesellschaftlichen Lebens, auch im projektspezifischen Workshop deutlich. Eben wegen diesem Befund, wegen der Kleinteiligkeit und Flüchtigkeit der Entwicklungen, erweist sich der vom Projekt gewählte Ansatz einer biographischen Annäherung an einen durch die Biographie notwendigerweise recht eng (nämlich auf eine einzige Generation) begrenzten Zeitraum als weiterführend: Es wäre wünschenswert, wenn in Zukunft weitere (wohlgemerkt: stets methodisch reflektierte) Biographien republikanischer Politiker unterschiedlicher Epochen und unterschiedlicher sozialer Hintergründe vorgelegt würden, die für sich zwar jeweils immer nur einen kurzen Ausschnitt aus der Geschichte fokussieren, in ihrer Summe aber einen sowohl breiteren als auch tieferen Einblick in die spezifische historische Dynamik der Römischen Republik ermöglichen.

 
 

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