Suzdal und Mohovoe/Wiskiauten - Prospektion und Datenvergleich frühmittelalterlicher Siedlungskammern im Kaliningrader Gebiet und in Westrußland
Final Report Abstract
Im Arbeitsgebiet Wiskiauten/Mohovoe im Kaliningrader Gebiet ist es durch die Methodenkombination von Geophysik, Bohrprospektion, C14-Datierungen und Ausgrabungen nicht nur gelungen, Siedlungsspuren aus der Zeit des Hügelgräberfeldes im 9. und 10. Jh. zu lokalisieren, sondern darüber hinaus konnte auch eine Vorläuferphase im 5. bis 8. Jh. sowie eine nachfolgende Siedlungsperiode des 11. bis 13. Jh. nachgewiesen werden. Erstmals ist eine Siedlungskammer in der Region derart intensiv untersucht worden. Die Zahl der Siedlungsspuren ist dabei insgesamt erstaunlich hoch, wobei sich aber kein echtes Zentrum lokalisieren lässt. Vielmehr erweckt die großräumige Verteilung der nachgewiesenen Befunde den Eindruck von weiträumig verteilten, kleineren Einzelgehöften. Für die Siedlungen des 5. bis 8. Jh., die an zwei Stellen des ausgedehnten Areals identifiziert wurden und die mit Bestattungen im Wäldchen Kunterstrauch bzw. mit dem ebenfalls geophysikalisch untersuchten Gräberfeld von Fhedrichshof in Verbindung gebracht werden können, ist eine Zuweisung zur einheimischen prussischen Kultur wahrscheinlich. Die Siedlungen des 9. und 10. Jh. entstehen in räumlicher Nähe zu den vorangehenden. Zeitlich lassen sich mit ihnen derzeit nur die skandinavischen Hügelgräber im Wäldchen Kaup verbinden. Einheimische Gräber dieser Zeit fehlen. Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass zwangsläufig skandinavische Personen in den aufgedeckten Siedlungskomplexen lebten. Zu einer solchen Aussage führt das Fundmaterial nicht. Allerdings sind im Bereich der Siedlung im Osten mit dem Dirhem, dem skandinavischen Schwertknauf, dem Gürtelbeschlag und der Bronzeperle als Aufsatz einer gotländischen Ringtrense gleich mehrere Kleinfunde überliefert, die zumindest einen ständigen Kontakt der Skandinavier mit dieser Siedlung nahelegen, was auch durch zusätzliche naturwissenschaftliche Untersuchungen wie der Analyse des Tierknochenmaterials und der Makrorestanalyse sichtbar wird. Im Suzdaler Arbeitsgebiet zeitigte die gewählte Methodik weniger Überraschungen und bestätigte grundsätzlich das aufgrund archäologischer Untersuchungen gewonnene Bild. Allerdings sind nun wesentlich feinere Untergliederungen sowohl in chronologischer als auch in räumlicher und struktureller Hinsicht möglich. Das Projekt hat somit in beiden Arbeitsgebieten wesentlich zur Bestätigung bisheriger Theorien sowie zur Gewinnung neuer Daten und deren Interpretation beigetragen. Zusätzlich ist die Methodenkombination als Forschungswerkzeug etabliert und nun mit seinen Potentialen auf andere Siedlungsplätze übertragbar. Insgesamt war vor allem die unterschiedliche Anwendbarkeit der Geophysik als Prospektionsmethode in beiden Arbeitsgebieten überraschend, was einerseits direkt mit den Bodenverhältnissen und der späteren Nutzung zusammenhängt, andererseits in der Archäologie selbst begründet liegt. In Suzdal überraschte die frühe Zeitstellung einiger bislang als Gründungen des 11. Jh. verstandener Siedlungen. Besonders unerwartet war im Kaliningrader Gebiet am Fundplatz Wiskiauten die Größe der mit Siedlungsspuren übersäten Fläche und die Dichte bzw. unmittelbare Nähe von Befunden unterschiedlicher Zeitstellung. Vor allem in Bezug auf das erste nachchristliche Jahrtausend aber war die Auffindung von Siedlungsspuren des 5. bis 8. Jh. als Vorläuferphase sowie des 11. bis 13. Jh. als nachfolgender Siedlungshorizont in der bislang in der Forschung als rein skandinavische Ansiedlung verstandenen Siedlungskammer, was zu einem neuen Interpretationsmodell führt. Demnach handelte es sich bei der Ansiedlung von Wiskiauten nicht um eine zentrale Siedlung, sondern um mehrere kleine Ansiedlungen, die in direktem Kontakt miteinander standen und weiträumig in der Umgebung des Gräberfeldes verteilt lagen, dabei aber kein echtes Siedlungszentrum bildeten. Ein 45-minütiger Filmbeitrag in der ZDF-Reihe „Schliemanns Erben" im Jahr 2008 mit Einschaltquoten von 5 Millionen Zuschauern, mehrere russische Fernsehberichte, vier deutsche Radiobeiträge bei NDR und WDR, zahlreiche nationale und internationale Zeitungsbeiträge und wissenschaftliche Publikationen, insgesamt etwa 70 öffentliche Vorträge auf Fachtagungen und vor allem auch bei eingetragenen Vereinen und Gesellschaften und nicht zuletzt die dreisprachige Projekthomepage (www.wiskiauten.eu) haben der von der DFG ausdrücklich gewünschten Öffentlichkeitsarbeit Rechnung getragen und gleichzeitig das Engagement und die Förderungsphilosophie der DFG gewürdigt und nach außen repräsentiert. Auch nach Projektende gewährleistet das ZBSA den Erhalt der umfassenden Webseite mit ihren hohen Aufrufquoten, um der gewünschten Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der DFG-Philosophie Rechnung zu tragen.
Publications
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