Critical Response to Images and the Making of Images in the European Middle Ages:The Libri Carolini and Carolingian Art
Final Report Abstract
Das Opus Caroli regis contra synodum (= Libri Carolini = LC) ist eine Streitschrift, die Anfang der neunziger Jahre des 8. Jahrhunderts im Auftrag Karls („des Großen“) als Replik auf die den byzantinischen Bilderstreit betreffenden Beschlüsse der Synode von Nizäa 787 von Theodulf von Orléans verfasst wurde. Sie liefern mit einem Konzept der religiösen Neutralisierung des Bildes eine Perspektive bildkritischer Aufklärung, die aufgrund der Kultbildfixierung der bisherigen bildhistorischen Forschung nicht in angemessener Weise inhaltlich erschlossen und gewürdigt wurde. Das Projekt verfolgte zwei Ziele: 1. eine primär an bildhistorischen Forschungsperspektiven orientierte und in thematische Arbeitsfelder gegliederte Analyse und inhaltliche Kommentierung der LC, und 2. die Bereitstellung der Übersetzungen der für den Kernbereich der Bilderfrage relevanten Kapitel. Von den 120 Kapiteln der Libri Carolini wurden 93 übersetzt, zudem die Proömien des in vier Bücher gegliederten Opus, in denen Zielsetzung, Methode und Aufbau des gesamten Werkes bzw. der einzelnen Bücher erläutert werden, weiterhin das Capitulare contra synodum, die damit korrespondierenden Abschnitte aus dem Antwortschreiben Papst Hadrians I. und besonders relevante Passagen aus den Akten des Konzils von Nizäa II. Da die bisherige Forschung die in den LC enthaltenen Äußerungen zur Bilderfrage in hohem Maße selektiv auswertete und die zu berücksichtigenden Argrumente weitgehend dekontextualisiert erörterte, war es ein zentrales Anliegen des Projekts, die Grundlagen der hermeneutischen Erschließung des Textes zu verbessern. Gestützt auf eine Analyse der inhaltlichen Struktur der LC wurden bisher vernachlässigte textimmanente, inhaltliche Zusammenhänge konsequent beachtet und die bisher häufig als Missverständnisse deklarierten argumentativen Zuspitzungen, Einseitigkeiten und Unsachlichkeiten als Elemente eines traditionellen, rhetorischen Konventionen einer Streitschrift folgenden polemischen Konzepts inhaltlich neu gewürdigt. Der für das Verständnis der pragmatischen Funktion der LC relevante kirchenpolitische und politische Kontext wurde durch eine Relektüre der vorhanden historischen Quellen neu konturiert, was u.a. Anlass dazu gab, immer wieder geäußerte Vermutungen zu einem in der Bilderfrage sich manifestierenden kirchenpolitischen Scheitern Karls („des Großen“) in Frage zu stellen. Als Ergebnis der Einzelstudien ist festzuhalten, dass der Bildbegriff der LC erstmals in umfassender Weise analysiert und interpretiert wurde und sowohl bildtheologische Problemfelder (Gottesebenbildlichkeit des Menschen, Christus als wesensgleiches Bild Gottes, das Antlitz Gottes als immaterielles Bild) wie auch Theodulfs Auffassungen zu materiellen Bildern (Geschichte der Idolatrie, exegetische Probleme idolatrischer Bilderverehrung, Hauptfunktionen des religiösen Bildes: Schmuck und Erinnerung, Reflexionen über Bildwunder) ausführlich diskutiert wurden. Eine besondere Bedeutung erhielt die Analyse des ornamentum-Begriffs der LC, da durch sie die Thematisierung ästhetischer Dimensionen, die in den LC religiösen Bildern zugeschrieben werden, erstmals differenziert erschlossen werden konnte und eine gegenüber bisherigen Forschungsmeinungen sich deutlich absetzende positive Neueinschätzung der in den LC zum Ausdruck gebrachten Einstellung zur „Bilderfrage“ möglich wurde.
Publications
- Die Legitimität (bild-)künstlerischer ornamenta in den Libri Carolini, in: Embach, Michael / Moulin, Claudine / Wolter-von dem Knesebeck, Harald (Hrsg.): Die Handschriften der Hofschule Kaiser Karls des Großen. Individuelle Gestalt und europäisches Kulturerbe. Ergebnisse der Trierer Tagung vom 10.–12. Oktober 2018, Trier 2020, S. 187- 211
Seiler, Peter
- Normierte Einheit oder regulierte Vielfalt? Decus regni, ornatus regis und ornamenta ecclesiae in Einhards Vita Karoli Magni, in: Baier, Christof / Czirr, Sarah / Lang, Astrid / Möller, Gina / Windorf, Wiebke (Hrsg.): „Absolutely Free“? – Invention und Gelegenheit in der Kunst. Für Jürgen Wiener zum 60. Geburtstag, Bielefeld 2019, S. 37-63
Seiler, Peter
(See online at https://doi.org/10.1515/9783839448595-003)