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Kosmopolitismus und Charakter in der afroamerikanischen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts
Antragstellerin
Dr. Hannah Spahn
Fachliche Zuordnung
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Förderung
Förderung von 2017 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 353758087
Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Bedeutung der transnationalen Dimension afroamerikanischer Literatur untersucht das Projekt den afroamerikanischen Kosmopolitismus eines langen neunzehnten Jahrhunderts aus der Perspektive zeitgenössischer Charakterkonzeptionen. Als Ergänzung zu der häufig anzutreffenden Tendenz, auch historische Globalisierungsdiskurse an den Begriff der Identität zu koppeln, orientiert sich das Projekt somit an einem moralisch-politischen und literarischen Leitbegriff des 19. Jhs., der durch seine seit der Antike fruchtbare Vermittlung von Persönlichkeit und Dingwelt (character z. B. auch verstanden als Buchstabe bzw. ursprünglich als Münzprägung) im Kontext der afroamerikanischen Sklaverei besondere Bedeutung erlangte. Durch den Filter dieses Begriffs, so die These des Projekts, erscheint die kosmopolitische Tradition nicht als Gegenpol, sondern als zentraler Bestandteil der afroamerikanischen Literatur.Methodisch an den Schnittstellen von Literaturwissenschaft und intellectual history angesiedelt, analysiert das Projekt den afroamerikanischen Kosmopolitismus des 19. Jhs. thematisch gegliedert zunächst in seinem Rekurs auf die amerikanische und die haitianische Revolution. So beginnt das Projekt mit einer Untersuchung der Rolle von Charakter und Karikatur in ambivalenten afroamerikanischen Auseinandersetzungen mit dem Kosmopolitismus der US-amerikanischen Revolution (Kapitel 1). Radikalere Weltbürgervorstellungen im Kontext der Haitianischen Revolution manifestierten sich schon früh in einer besonderen Faszination mit dem Charakter Toussaint LOuvertures: Ebenso wie die oft nach ihm benannte Verfassung von 1801 exemplifizierte seine Biographie als ehemaliger Sklave, so argumentiert das Projekt, den Übergang von der Ding- zur Personenwelt, der auch für die Imagination realistischer literarischer Charaktere entscheidend wurde (Kapitel 2). Der Zusammenhang zwischen Weltbürgertum und print capitalism (B. Anderson) ist Gegenstand der folgenden Kapitel. Der juristische double character amerikanischer Sklaven als Eigentum und Person verlieh liberalen afroamerikanischen Konzeptionen eines im Gegensatz zum Sklavenhandel am Ideal des Freihandels ausgerichteten Kosmopolitismus besonderen Nachdruck (Kapitel 3). Die Doppelbedeutung von character als Persönlichkeit und Buchstabe durchzog afroamerikanische Vorstellungen von Schriftlichkeit, Öffentlichkeit und einer kosmopolitischen republic of letters (Kapitel 4). Auch ein als Gegenbegriff zur rassistischen characterology des 19. Jhs. formulierter Kosmopolitismus konnte sich den zwischen Körperlichkeit und Schriftlichkeit schillernden Begriff zunutze machen (Kapitel 5). Der geplante Epilog des Buchprojekts erörtert zusammen mit der Einleitung die konzeptuelle und literaturhistorische Langzeitwirkung dieser Argumentationsmuster nach ihrem relativen Plausibilitätsverlust im frühen 20. Jh. in ihrer Bedeutung für aktuelle Diskussionen um Transnationalismus und Identität.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen