St. Engelbert in Köln-Riehl Ein katholisches Gemeindezentrum unter expressionistischem Betonschalendach
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Forschungsobjekt des Projektes war die Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl, die 1930–32 nach Plänen von Dominikus Böhm entstanden ist. Voruntersuchungen im Gebäude zeigten, dass die ursprüngliche Planung lediglich in Teilen ausgeführt wurde und große Teile des Gebäudes bis heute in Form eines nutzbar gemachten Rohbaus der ersten Bauphase erhalten blieben. Somit war es das erste Ziel des Projektes durch Archivstudien und einer eingehenden bauforscherischen Analyse des Bestandes, die Baugeschichte der Kirche in all ihren Bauphasen von der Vorplanung bis zu ihrer Umgestaltung nach den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils zu rekonstruieren. Auf dieser Grundlage wurde betrachtet, inwieweit die horizontale Schichtung der Funktionen aus dem zeitgenössischen Diskurs abgeleitet war oder ob diese Disposition eine versuchsartige Einzellösung darstellte. Die Struktur von St. Engelbert vereint alle Gemeinderäume in einem Gebäude, wobei unter dem Kirchenraum ein großer Pfarrsaal entstehen sollte. Dies bedeutet, dass unter der Chortreppe eine Theaterbühne errichtet wurde und sich unter dem Altar ein Vortragssaal und ein Heizungskeller befindet. Andere Beispiele wie die Aachener Bonifatiuskirche (Otto Bongartz), die Melanchthonkirche von Theodor Merrill oder die Frankfurter Kirchen von Martin Weber legen nahe, dass diese Anordnung durrchaus diskutiert wurde. Schließlich reagiert das Kölner Erzbistum in der Nachkriegszeit und untersagt, unter dem Altarraum nicht-sakrale Funktionen zu platzieren. Die Archivarbeit brachte aufschlussreiche und überraschende Quellen zu Tage. So erklärt die gefundene Korrespondenz von Dominikus Böhm mit den beteiligten Pfarrern viele Detailfragen, die in ihrer Summe entscheidend zum Verständnis des Entwurfs beitragen. Es wird deutlich, dass der unfertige Zustand des Gebäudes von den beteiligten Personen in Kauf genommen wurde. Zudem bilden sich stark divergierende Vorstellung der Raumgestaltung und Ausstattung der Kirche ab, so dass das Prozesshafte der Entstehung sogar als Grundlage dafür angesehen werden darf, dass das Kirchenprojekt in dieser Form begonnen wurde. Ähnlich ging Dominikus Böhm auch in anderen Projekten wie demjenigen der Christus-König-Kirche in Leverkusen-Küppersteg vor, so das der Spielraum, den das Unfertige mit sich brachte, scheinbar bewusst als Startpunkt gewählt wurde. Die Bauentwicklung wurde zum Prozess in dessen Verlauf die einzelnen Raumeinheiten nacheinander detailliert geplant wurden. Die Architektur von Dominikus Böhm wird richtigerweise als Abstraktion historischer Baukörper verstanden. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass er als Architekt verstanden hat, dass insbesondere Kirchengebäude im Verlauf von Jahrzehnten und Jahrhunderten einem Wandel durch Umgestaltung und Anfügungen unterworfen sind. Somit ist die fragmentarische Planung in Einzelschritten historisch legitimiert und die im Erlass des Kölner Erzbistums aus dem Jahr 1912 geforderte Stileinheit in bestehenden Gebäuden als Trugschluss enttarnt. Dass die Grundlage der Architektur von Dominikus Böhm die genaue Kenntnis des kunsthistorischen Wissens der Zeit ist, verdeutlicht die geometrische Analyse von St. Engelbert, die erst mit den im Rahmen des Projektes erstellten Plänen der Bauaufnahme vorgenommen werden konnte. Böhm selbst führt den Aachener Dom als Vorbild der Kirche an. Die Analyse des Grundrisses offenbart, dass bei der Konzeption Gedanken von Theodor Fischer herangezogen wurden, die dieser unter dem Titel "Zwei Vorträge über Proportionen" 1934 verschriftlicht hat. Hierin wird der Aachener Dom als Ergbnis einer Anwendung der Quadratur gezeigt. Die versierte Anwendung dieser Methode kann auch als Grundlage des Entwurfs von St. Engelbert nachgewiesen werden. Das Projekt zeigt auf, dass die Auseinandersetzung mit historischer Architektur für Dominikus Böhm dementsprechend nicht nur Vorbildsuche war, sondern durch genaues Studium Aspekte einer Art Allgemeingültigkeit der Architektur abgeleitet werden sollten. Ähnliche Gedanken verfolgen, beginnend mit H.P. Berlage, zahlreiche Architekten der Zeit, so dass die Untersuchung geometrischer Grundstrukturen für diese Zeit als Suche nach einer Art Nucleus der Architektur gelten darf.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- St. Engelbert in Köln Riehl – Form und Funktion, in: INSITU – Zeitschrift für Architekturgeschichte, ISSN 1866-959X, 2.2017
D. Buggert, C. Helmenstein
- St. Engelbert in Köln-Riehl. Liturgische Reform und historische Verortung als Grundlage des Sakralbaus der Moderne. Tagungsband »Die Multiple Moderne / The Multiple Modernity«, 31 January–2 February 2019, Archiv für Baukunst, Universität Innsbruck
D. Buggert