Optimierungsbasierte Regelung verfahrenstechnischer Prozesse Teilantrag 4: Dynamische Modellierung und Echtzeitoptimierung einer Abwasseraufbereitungsanlage mit getauchter Membrantrenneinheit
Final Report Abstract
In dem Teilprojekt wurden modellbasierte Regelungsmethoden für biologische Abwasser- Aufbereitungsanlagen mit getauchten Membraneinheiten entwickelt. Es handelt sich um Anlagen, die moderne Verfahren der Membran-Filtration mit dem konventionellen Belebtschlamm-Verfahren zur Aufbereitung kommunaler oder industrieller Abwässer kombinieren, um eine Steigerung der Reinigungsleistung, der Betriebssicherheit und der Abwasser-Qualität bei gleichzeitig reduziertem Platzbedarf der Anlagen zu erreichen. In diesem Projekt wurden die bereits in der ersten Antragsperiode entwickelten Modelle und Methoden weiterentwickelt und in Regelungsarchitekturen zur dynamischen Echtzeitoptimierung implementiert. Es wurden Methoden zur Zustandsschätzung und Folgeregelung in der Prozessführung des biologischen Systems entwickelt und ihre Leistungsfähigkeit in mehreren Fallstudien demonstriert. Der in der ersten Antragsperiode entworfene Regler für den Membran-Filtrationsprozess wurde zur Einsatzreife entwickelt und im Rahmen von Pilotversuchen mit einem industriellen Partner erprobt. Bereits in der ersten Antragsperiode von 2003–2006 wurden Referenzmodelle für die Simulation und Prozessführung der biologischen Abwasser-Aufbereitung mit Membranfiltration entwickelt. Es wurde gezeigt, dass eine Unterteilung der Anlagen in einen biologischen Anlagenteil und einen Filtrations-Teil aus Sicht der Prozessführung vorteilhaft ist, da die Prozesse in den Anlagenteilen auf unterschiedlichen Zeitskalen ablaufen. Aufbauend auf diese Unterteilung wurden Methoden zur Regelung von Membran- Filtrationsprozessen mit Crossflow-Belüftung und regelmäßiger Rückspülung entwickelt, sowie Methoden zur dynamischen Optimierung des biologischen Anlagenteils unter den speziellen Randbedingungen der Prozessführung von Abwasser-Aufbereitungsanlagen. Während in der ersten Antragsphase die Erstellung von Modellen und Prozessführungs- Konzepten im Vordergrund stand, wurde in der zweiten Antragsphase die Realisierung der Konzepte in echtzeitfähigen Regelungsarchitekturen sowie die Anwendung auf realitätsnahe Beispiele und auf einer Pilotanlage verfolgt. Der in der ersten Antragsphase entwickelte Regelalgorithmus für die Membran-Filtration wurde bis zur Einsatzreife entwickelt. In Untersuchungen an einer Pilotanlage der Firma Koch Membrane Systems konnte gezeigt werden, dass der Energiebedarf der Membran- Filtration durch den Einsatz der optimierungsbasierten Regelung um bis zu 50% reduzieren werden kann. Es wurden wichtige Schritte zur Anwendung der optimierungsbasierten Regelung des biologischen Anlagenteils auf reale Anlagen erreicht. Die Realisierung der dynamischen Optimierung in einer echtzeitfähigen Reglungsarchitektur wurde über eine Zwei-Ebenen- Struktur mit Folgeregelung und Ausgangsrückführung erreicht. Gemeinsam mit der Heidelberger Forschungsgruppe wurden Methoden zur Zustandsschätzung für die biologische Abwasseraufbereitung untersucht. Es wurde ein Vergleich der Zustandsschätzung auf bewegtem Horizont (moving horizon estimation, MHE) mit der nichtlinearen Kalman-Filterung (extended Kalman filtering, EKF) für die Schätzung der Zustände des Benchmark-Modells BSM1 durchgeführt. Es konnte festgestellt werden, dass beide Methoden auch unter stark gestörten Prozessbedingungen sehr gute Ergebnisse erreichen. Zusammen mit der Entwicklung einer Methode zur Bestimmung eines kostenoptimalen Sensornetzwerks stellt dies einen signifikanten Fortschritt auf dem Feld der gehobenen Regelungsmethoden für Abwasser-Aufbereitungsprozesse dar. Die Integration des gemischt-ganzzahligen Optimierungsansatzes für die Prozessführung des biologischen Anlagenteils in eine hierarchische Regelungsarchitektur konnte in einer Simulationsstudie demonstriert werden, wodurch die grundsätzliche Anwendbarkeit der modellbasierten Prozessführung für Abwasser-Aufbereitungsprozesse demonstriert werden konnte. Für die weitere Forschung wurden mehrere wichtige Themen identifiziert, die nachfolgend skizziert werden. Zum einen erfordert die breite Anwendung von modellgestützten Prozessführungs-Methoden die maßgeschneiderte Anpassung der Prozessmodelle und der Regelungstrategien auf die jeweils an einer Abwasser-Aufbereitungsanlage gegebenen technischen Möglichkeiten. Das bedeutet die Anpassung der Zustandsschätzung an die jeweils verfügbaren Sensordaten. Dieses bisher wenig untersuchte Thema der maßgeschneiderten Modellierung für Monitoring und Regelung wird in Nachfolgeprojekten (z. Teil von NRC, Norwegen finanziert) fortgesetzt. Weiterhin unterscheiden sich Anlagen hinsichtlich der für die gehobene Prozessführung zugänglichen Stellgrößen. Große Abwasser- Aufbereitungsanlagen verfügen häufig über parallele Nitrifikations- und Denitrifikationsbecken und separate Membran-Filtersysteme. Diese Anlagen erlauben einen weit flexibleren Betrieb als die einstraßigen Abwasser-Aufbereitungsanlagen, die im Rahmen dieses Antrages untersucht wurden.Ein Antrag zur Behandlung von Struktur-schaltenden Problemen im Rahmen der modellgestützten Prozessführung und Echtzeitoptimierung ist in Vorbereitung. Des Weiteren bieten sich technologische Erweiterungen der bestehenden Regelungsarchitektur an, insbesondere für die Folgeregelung: Neuere Algorithmen wie Advanced- Step-NMPC (Zavala and Biegler 2009), Real-Time Iterations (Diehl et al. 2005) oder Neighbouring Extremal Control (Würth et al. 2009) ermöglichen die schnelle Anpassung von optimalen Steuertrajektorien an Stör- und andere Einflussgrößen. Dadurch ist es möglich, auch auf unterlagerten Ebenen von Mehr-Ebenen-Architekturen wirtschaftlich optimierende Regler mit großen Prozessmodellen einzusetzen anstelle von Folgereglern. Diese Arbeiten werden in unserer Arbeitsgruppe weitergeführt. Zuletzt bleibt weiter ein Thema aktuell, in welchem in diesem Projekt nicht die anfänglich erwarteten Fortschritte erzielt werden konnten, nämlich die Integration der Prozessführungsstrategien des biologischen Systems und der Membranfiltration. Die Koordinierung der optimierenden Regelung mit Hilfe von Dekompositionsansätzen wurde aufgrund von noch ungeklärten methodischen Fragen bislang nicht weiter verfolgt. Die methodischen Fragen werden durch AVT-Prozesstechnik seit 2008 im Rahmen des EU-Projektes HD-MPC verfolgt, dessen Fragestellungen zu einem großen Teil aus den in diesem Projekt aufgeworfenen Fragen entstanden.
Publications
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