Untersuchungen zur Verarbeitung auditiver Bewegungsinformation im Kortex mittels Analyse akustisch evozierter Potentiale
Final Report Abstract
Die Wahrnehmung von räumlichen Veränderungen in der akustischen Umgebung ist – neben der Lokalisation von statischen Schallquellen – von hoher Relevanz für die Orientierung des Menschen im Raum. Ziel dieses Projekts war die Untersuchung der neuralen Mechanismen menschlichen Bewegungshörens mithilfe zeitlich hochauflösender elektrophysiologischer Methoden (EEG). Ausgangspunkt waren Befunde, nach denen die Analyse bewegter Schallreize in einem hierarchisch organisierten, kortikalen Netzwerk unter Beteiligung vornehmlich temporaler und parietaler Areale abläuft. In einer Reihe von Experimenten wurden verschiedene Einflussfaktoren auf das Bewegungshören untersucht. Im Einzelnen wurden stimulusspezifische Faktoren (Geschwindigkeit, Richtung, Position, Art der Bewegung) sowie Einflüsse von Aufmerksamkeit, Adaptation, audio-visueller Integration und Blindheit einbezogen. Dazu wurden normalhörenden Probanden unter Freifeldbedingungen Schallreize dargeboten, die nach einer statischen Phase in eine Bewegung übergingen. Auf diese Weise war es möglich, bewegungsbezogene kortikale Prozesse von Prozessen der Analyse statischer Schallreize zu trennen. Der Bewegungsbeginn löste eine charakteristische Abfolge von evozierten Potentialen aus, die in Bezug auf Amplitude, Latenz und Topographie ausgewertet wurden. Zusätzlich wurde mit Quellenschätzverfahren die Lage der kortikalen Generatoren bestimmt und Annahmen über beteiligte Hirnareale überprüft. Die Analysen ergaben wenig Evidenz für die Existenz bewegungsspezifischer Strukturen im Sinne der im visuellen System nachgewiesenen Bewegungsdetektoren. Die Resultate sprechen eher für bewegungsspezifische Prozesse in einem ausgedehnten Netzwerk, das temporale, parietale und frontale Kortexareale umfasst. Dieses Netzwerk scheint weitgehend mit den Gehirnarealen übereinzustimmen, die mit der Verarbeitung statischer Schallinformation befasst sind. Die Befunde legen eine Kodierung auditiver Bewegungsinformation im Rahmen eines Modells nahe, nach dem die Repräsentation des Hörraumes auf der relativen Aktivität zweier raumspezifischer neuronaler Kanäle beruht. Eine Schallbewegung könnte daher durch eine graduelle Änderung im Aktivitätsniveau der beiden Kanäle repräsentiert sein. Es zeigte sich, dass Bewegungsort und -richtung in aufeinanderfolgenden Verarbeitungsstufen durch unterschiedliche Aktivitätsmuster kodiert werden. Die elektrophysiologischen Korrelate dieser frühen und späten Prozesse sind weniger bewegungsspezifisch, sondern spiegeln jedwede Form von räumlicher Veränderung in der akustischen Umgebung wider. Insgesamt konnten durch die Kombination aus Freifeldstimulation, hoher zeitlicher Auflösung des EEG-Verfahrens und Quellenlokalisation neue Einblicke in das raum-zeitliche Muster der kortikalen Mechanismen menschlichen Bewegungshörens gewonnen werden.
Publications
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(See online at https://doi.org/10.1016/j.brainres.2012.05.033)