Representation and Processing of Non-Finites in L1 and L2 German
Final Report Abstract
Das Projekt hat sich mit der Frage beschäftigt, wie Konversion (z.B. Verbalnomen, d.h. Nomen, die ohne weitere morphologische Markierung von Verben abgeleitet werden, z.B. spielen - das Spielen) und nicht-finite Formen (Konversionsnomen, Infinitive und Partizip II) allgemein im mentalen Lexikon der deutschen Muttersprachler und fortgeschrittenen Deutschlerner (L1 Tschechisch) repräsentiert sind. Es konnte Evidenz gegen die Hypothese vorgelegt werden, dass Konversionsprodukte von ihren Grundrepräsentationen durch einen Konversionsprozess produziert werden (Stolterfoth et al. 2010), wie er ähnlich für flektierte Formen angenommen wird. Ebenfalls sprechen die Ergebnisse des Projekts gegen die Hypothese, dass Non-finites eine eigenständige Wortklasse bilden (vgl. Haspelmath 1996). Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Infinitive und Partizipformen Teile von verbalen lexikalischen Einträgen sind, zu denen auch flektierte Verbformen gehören, wobei jedoch Infinitive unter ihnen eine besondere Position einnehmen. Verbalnomen hingegen, verhalten sich wie andere produktiv derivierte Nomen mit transparenter Bedeutung. Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer morphologischen Wortfamilie (mit Fokus auf nicht-finite Wortformen) scheinen sich in Deutsch als Muttersprache und als Fremdsprache fortgeschrittener Lerner nicht zu unterscheiden. Ebenfalls zeigte eine weitere experimentelle Reihe, dass orthografische Cues (hier die Großschreibung bei Substantiven wie Konversionsnomen) ähnlich wie morphologische Markierungen einen wortklassenspezifischen lexikalischen Abruf/Zugriff auslösen, und zwar ebenfalls bei beiden Probandengruppen. Qualitative Unterschiede in den mentalen Repräsentationen von morphologisch verwandten Wörtern in L1 und L2 zeigten sich insbesondere in einer Reihe von Experimenten zum Erwerb neuer formidentischer Wörter: Die Muttersprachler waren aufgrund des generellen sprachlichen (Vor-)Wissens in der Lage, für ein neu zu erwerbendes Wort automatisch eine komplexe lexikalische Struktur zu erstellen, die auch solche morphologisch relatierten Formen umfasst, die nicht im Input vorkamen. Die Ergebnisse für Nichtmuttersprachler hingegen zeigen, dass diese zwar prinzipiell ebenfalls komplexere neue Lexikoneinträge etablieren, jedoch sind diese neuen Einträge wesentlich schwächer und ungenauer strukturiert und grenzen sich weniger deutlich von benachbarten Einträgen ab, was im Einklang mit dem der Fuzzy-Lexical-Representation-Hypothese (Gor et al. 2021) und dem Ontogenesis Model of the L2 Lexical Representation (Bordag et al 2021, 2022) ist. In einer weiteren experimentellen Reihe zeigte sich ebenfalls, dass in L1 auch abstraktere morphosyntaktischere Konfigurationen repräsentiert sind, die über konkrete lexikalische Einträge (auf Wortebene) hinausgehen (z.B. syntaktische Konfigurationen mit Merkmalen für Infinitivformen vs. für flektierte Verben, ähnlich der Idee von abstrakten Paradigmen). Für L2 hingegen lieferten die Ergebnisse dieser Reihe keine Hinweise, dass solche abstrakteren Repräsentationen eine Rolle spielen. Morphosyntaktische Merkmale scheinen in L2 hauptsächlich item-basiert (d.h. an ein konkretes Wort gebunden) zu sein. Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse für L2 daher dafür, dass mentale Repräsentationen morphologischer Relationen nach ähnlichen Prinzipien wie in L1 organisiert sind, diese Repräsentationen aber ungenauer und vor allem weniger abstrakt und weniger generalisiert sind. Methodisch stützte sich das Projekt auf angepasste Versionen des Self-Paced-Reading und des lexikalischen Primings, in dem wir sowohl die Primes als auch die Targets in minimalen syntaktischen Kontext präsentierten. Die Ergebnisse zeigen, dass dem syntaktischen Kontext, in dem ein Wort verwendet wird, eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung seiner morphosyntaktischen Merkmale zukommt. Das Fehlen von Unterschieden in der Repräsentation und Verarbeitung morphologisch komplexer Wortformen in L1 und L2, das wir in mehreren Experimenten beobachtet haben und das im Kontrast zu Studien steht, die z.B. die Shallow Structure Hypothese stützen, könnte ein Hinweis sein, dass die Verarbeitung isolierter Wortformen den L1 Lernern schwerer als den L2 Lernern fällt, dass jedoch die Strukturen des muttersprachlichen und des fortgeschrittenen fremdsprachlichen Lexikons möglicherweise ähnlicher sind als bis jetzt angenommen.
Publications
- (2020). Word Category Conversion Revisited: The Case of Adjectives and Participles in L1 and L2 German. Frontiers in Psychology, 11:1045
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(See online at https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.01045) - (2021). Fuzzy lexical representations in adult second language speakers. Frontiers in Psychology, 12:5248
Gor, K., Cook, S., Bordag, D., Chrabaszcz, A. & Opitz, A.
(See online at https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.732030) - (2021). Ontogenesis Model of the L2 Lexical Representation. Bilingualism: Language and Cognition 1– 17
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Bordag, D. & Opitz, A.
(See online at https://doi.org/10.1017/S0272263121000206) - (2021). The Impact of Orthography on Lexical Access: The Case of Capitalisation and Word Category Information in L1 and L2 German. Studies in Second Language Acquisition
Opitz, A. & Bordag, D.
(See online at https://doi.org/10.1017/S0272263121000711) - (2022). Employing General Linguistic Knowledge in Incidental Acquisition of Grammatical Properties of New L1 and L2 Lexical Representations: Towards Reducing Fuzziness in the Initial Ontogenetic Stage. Frontiers in Psychology
Bordag, D. & Opitz, A.
(See online at https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.768362) - (2022). Refining Key Concepts of the Ontogenesis Model of the L2 Lexical Representation. Bilingualism: Language & Cognition
Bordag, D., Gor, K & Opitz, A.
(See online at https://doi.org/10.1017/S1366728921000894)