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Les journées ne durent plus. Psychopathologische Eigenzeiten in der deutschen und französischen Literatur vom ausgehenden 19. bis zum mittleren 20. Jahrhundert

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Wissenschaftsgeschichte
Förderung Förderung von 2016 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 319388452
 
Ziel des Projektes ist eine umfassende Erforschung von literarischen Texten, die den Versuch unternehmen, Eigenzeitlichkeit als "Kardinalsymptom" psychischer Krankheiten zu denken. Eigenzeitlichkeit ist dabei so zu verstehen, dass von den Zeitgenossen sowohl eine Differenz gegenüber einer objektiven, äußerlichen, quantitativen Zeit o. ä. als auch gegenüber dem inneren, qualitativen Erleben einer nicht psychisch erkrankten Umwelt behauptet wird.Das Projekt ist literaturwissenschaftlich angelegt und möchte die deutschsprachige Literatur vom ausgehenden 19. bis zum mittleren 20. Jahrhundert im Vergleich mit der französischen und in ihrer komplexen Wechselwirkung mit der zeitgenössischen Psychiatrie und Zeitphilosophie untersuchen. Es gilt also neben den literarischen auch psychiatrische Texte in den Blick zu nehmen, die einerseits von den literarischen profitieren, auf die andererseits aber auch die Literatur zurückgreift, um die psychiatrischen Gedankenfiguren in Bezug auf Figurengestaltung und -Konstellation, Handlungsführung und Schreibweise literarisch bzw. im Hinblick auf ästhetische Modelle zu adaptieren. Im Projekt soll zwischen einem tendenziell neurotischen und einem tendenziell psychotischen Paradigma unterschieden werden, die ungeachtet einer gewissen Überschneidung, zeitlich unterschiedlich gelagert sind: Das verstärkte Interesse der deutschen und französischen Literatur für das Verhältnis von (impliziter) Eigenzeitlichkeit und neurotischer Psychopathologie reicht, so die Ausgangsüberlegung, von den 90er Jahren des 19. Jhdt. bis in die zwanziger des 20., während das verstärkte Interesse der Literatur an Eigenzeitlichkeit im Rahmen psychotischer Krankheiten in den 10er Jahren beginnt. Die erste Arbeitshypothese, die dem Projekt zugrunde liegt, besagt, dass die deutsche (und französische) Literatur im neurotischen Paradigma auf psychiatrische Gedankenfiguren wie Trauma, Amnesie und Déjà-vu rekurriert, die in Bezug auf ihre Symptomatik zwar zeitliche Aspekte besitzen, aber nicht nosologisch ausformuliert sind. Dies hat zur Folge, dass diese Gedankenfiguren in der Literatur oft mit zeitphilosophischen und/oder mystischen Strukturmodellen expliziert werden. Im psychotischen Paradigma, so die zweite Arbeitshypothese, ist die Ausgangslage noch einmal komplexer: Einerseits schreibt sich die deutsche (und französische) Literatur in die oben beschriebene literarische Tradition ein, psychiatrische Zeitkonzepte philosophisch und theologisch zu explizieren. Dieses Modell muss jedoch angesichts des nun stärkeren Interesses an psychotischen Krankheiten wie Schizophrenie, Epilepsie u.a. neu formuliert werden. In diesem Zusammenhang tritt die deutsche und französische Literatur in einen Dialog mit der, ihrerseits philosophisch orientierten, Psychiatrie, v. Gebsattel, Straus, Jaspers, Binswanger u. a. in Deutschland, Minkowski und Janet in Frankreich, die ab den zwanziger Jahren explizite Modelle psychopathologische Eigenzeit formuliert.
DFG-Verfahren Schwerpunktprogramme
 
 

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