Das Projekt greift aktuelle Veränderungen der Arbeitswelt auf und untersucht sie explizit in ihren haushaltsbezogenen und lebensweltlichen Kontexten. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs, Teilzeitarbeit, Mehrfachbeschäftigung, Leiharbeit, Solo- Selbständigkeit, Befristung und vor allem Tätigkeiten im Niedriglohnbereich) werden nicht mehr alleine als Frage der individuellen „Bewältigung“ berufsbiographischer Verläufe behandelt, sondern als Erfahrung und Anforderung, die im Kontext sozialer Beziehungen stattfindet. Auf diese Weise erweitert sich der analytische und methodische Blick auf gesellschaftliche Wirklichkeiten. Die Logik des Kollektiven (der Haushalt, die Familie, die Freunde und die Nachbarschaft) kommt in den Blick und Sozialforschung bleibt nicht bei einer Logik des Singulären stehen; eine Logik, die nicht selten auch theoretische Artefakte produziert. Das Projekt zielt dementsprechend auf Methodeninnovation. Für das Projekt wurden Haushalte rekrutiert, die zu Gruppengesprächen und Gemeinschaftsinterviews bereit waren. Das ist ein sehr anspruchsvolles, aber zugleich ertragreiches Forschungsdesign. Qualitative Forschung löst sich vom Einzelfall und nimmt von Beginn des Forschungsprozesses an die sozialen Kontexte, in denen sich Menschen in ihrem Alltag bewegen, in den Blick. Ausgehend von diesem erweiterten methodischen Zugang konnte eine Typologie prekärer Haushaltskonstellationen erarbeitet werden, die im Anschluss an die Solidaritätskonzeption von Durkheim neue theoretische Perspektiven aufzeigt, aber auch weiterführende empirische Fragestellungen eröffnet. Im Sample finden sich Haushalte, die vorrangig als mechanische Notgemeinschaften, als organische Solidargemeinschaften oder als ideelle Bündnisse funktionieren. Ein wichtiger Befund der Studie ist, dass auch in auf den ersten Blick modernen Sozialbeziehungen (neue Familienformen etc.) noch sehr viele Momente der von Durkheim beschriebenen mechanischen Solidarität stecken. Familie, Haushalt, Nachbarschaft bleiben zentrale Kategorien sozialer Kohäsion – allen kulturkritisch beschriebenen Fliehkräften zum Trotz, die Gesellschaft nur noch als fragmentarisch-individualisiertes Bild erkennen lassen. Die Studie zeigt, dass die Wirklichkeit sozialer Klassen- und Milieustrukturen insbesondere dann deutlich hervortritt, wenn Sozialforschung systematisch die Haushalte und nicht alleine die Individuen in den Blick nimmt. Denn insofern leistet das Projekt nicht nur einen Beitrag zur Soziologie prekärer Beschäftigungsformen und zur Erweiterung des methodischen Besteckkastens der Sozialforschung, sondern auch zur Sozialstrukturanalyse und zu Fragen der Dynamik sozialer Ungleichheit. Ein wichtiger Impuls, der von dieser Studie ausgeht, ist daher, dass wir in der Sozialforschung sehr viel stärker dazu aufgefordert sind, die Gesellschaft vom Haushalt bzw. von den kollektiven Bezügen her zu denken, in denen sich Menschen täglich bewegen. Denn anhand der Projektergebnisse wird deutlich, dass sich über die Potentiale und Restriktionen von Haushalten, aber auch anhand deren sozialer Herkunft sowie deren institutionellem Umfeld (z.B. infrastrukturelle Ausstattung des Wohnorts) entscheidet, ob und inwiefern prekäre Beschäftigungslagen zu einer Verfestigung sozialer Lagen führen und welche kollektiven Lebensführungsmuster hierbei beschleunigend oder dämpfend wirken.