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Politische Ordnungen im Prozess ihres Entstehens: eine vergleichende Studie neuer Formen politischer Organisation von Libyen bis Nordmali
Antragsteller
Dr. Thomas Hüsken; Professor Dr. Georg Klute
Fachliche Zuordnung
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung
Förderung von 2016 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 318338792
Die aktuellen politischen Entwicklungen in Libyen und Nord-Mali stellen nichts weniger dar als die Neuaushandlung der postkolonialen politischen Ordnung. Der Sturz des autoritären Regimes in Libyen und der anschließenden Zerfall des Landes in postrevolutionären Lager und Regionen, die anhaltende Rebellion der Tuareg im Norden Malis, begleitet vom Aufstieg transnationaler islamistischer und dschihadistischer Kräfte haben zur Zersplitterung staatlicher Strukturen geführt, zu mehr Heterogenität in Politik und zur Entstehung von nicht-staatlichen Machtgruppen, die zunehmend Bedeutung auf der komplexen politischen Bühne gewinnen. Während sie oft soziale und politische Alternativen zum westlichen Staatsmodell propagieren, scheinen einige dieser Gruppen, zumindest zeitweise, mit den jeweiligen staatlichen Strukturen verwoben zu sein.Wir schlagen vor, Prozesse der Herstellung politischer Ordnungen aus lokalen und translokalen Perspektiven zu untersuchen. Wir gehen davon aus, dass die aktuelle Situation in Nordwestafrika eine einzigartige Gelegenheit zur Beobachtung und Untersuchung der Neuaushandlung der postkolonialen politischen Ordnung bietet, einschließlich der deutlichen in-Frage-Stellung des westlichen Staatsmodells. Wir nehmen weiter an, dass die laufenden Prozesse der Herstellung politischer Ordnung in Libyen und Mali miteinander in Beziehung stehen, ohne dass wir irgendeine Art von Kausalität zwischen beiden unterstellten. Das Lokale ist weiterhin die entscheidende Arena für die Schaffung politischer Ordnungen. Das Projekt führt drei theoretische Konzepte und Forschungsfelder zusammen: Heterarchie, (historische und gegenwärtige) Konnektivitäten in Nordwestafrika, und die Bedeutung lokaler Akteure / des Lokalen. Das erste Konzept der Heterarchie ist vergleichsweise neu; es ist Antwort auf die rasante Entwicklung politischer Ordnungen in Afrika und anderswo in den letzten zwanzig Jahren. Heterarchie verweist auf zentrale Merkmale aktueller politischer (staatlicher und nicht-staatlicher) Ordnungen: auf ihre wechselseitige und zugleich instabile Verflechtung, sowie auf die große Zahl miteinander konkurrierender Machtgruppen. Das Konzept der Konnektivität (über staatliche Grenzen hinweg) ist ein neu (wieder)entdecktes Thema, das Staatsgrenzen (und die Wüste Sahara) nicht als Barrieren, sondern als Übergangsräume konzipiert. Es ermöglicht ein besseres Verständnis der jüngsten politischen Entwicklungen und ihrer historischen Wurzeln. Das Konzept lokaler Akteure / das Lokale ist fest in der politischen Anthropologie und politischen Soziologie verankert. Es unterstreicht die Bedeutung des Lokalen in Aushandlungsprozessen und den Kämpfen darüber, welche politische Ordnung geschaffen werden sollte.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich, Italien, Libyen, USA
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner
Nadia Belalimat; Professor Dr. Pierre Boilley; Dr. Virginie Collombier; Dr. Charles Gremont; Dr. Wolfram Lacher; Professor Baz Lecocq, Ph.D.; Professorin Dr. Amal Obeidi; Abdoulaye Sounaye, Ph.D.; Professor Dr. Bruce Whitehouse