Entwicklung eines Modells zur Analyse von Entscheidungsprozessen und Anwendung auf Fertilitätsentscheidungen in Partnerschaften
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Gegenstand des Forschungsprojekts ist die Entwicklung sowie Erweiterung eines allgemeinen Modells zur Analyse von Entscheidungsprozessen zwischen mindestens zwei Akteuren im Längsschnitt. Im Zentrum steht die Modellierung der wechselseitigen Beeinflussung der Akteure im Rahmen des Interaktions- bzw. Annäherungsprozesses und der relativen Einflüsse der an dem Prozess Beteiligten auf die gemeinsam getroffene Entscheidung. Des Weiteren findet der soziale Kontext der Akteure, in dem die Entscheidung eingebettet ist und entsprechend zu der Entscheidung mit beiträgt, Berücksichtigung. Als Basis zur Modellierung von Entscheidungsprozessen wird das von Sobel und Arminger (1992) entwickelte nichtlineare simultane Probit-Modell verwendet und zur Analyse von Entscheidungsprozessen in Partnerschaften - speziell zur Analyse von Entscheidungsprozessen bezüglich der Realisierung des Kinderwunsches - unter Verwendung des Bamberger-Ehepaar-Panels eingesetzt. Untersuchungsgegenstand bilden sowohl der Familiengründungs- als auch der Familienerweiterungsprozess im partnerschaftlichen Kontext. Auf dieser Grundlage wird im Rahmen des Projekts zunächst ein Basismodell zur Abbildung von Entscheidungsprozessen zwischen zwei Akteuren unter Zugrundelegung eines Zwei-Wellen-Designs ausgearbeitet, das auf den Familiengründungsprozess angewandt wird. In weiteren Schritten wird das formale Entscheidungsmodell in verschiedener Weise verallgemeinert. Eine Erweiterung erfolgt dahingehend, so dass multiple Entscheidungsprozesse (Multi-Decision-Design) analysiert werden können. Im Rahmen dessen wird untersucht, inwieweit die zeitgleiche Entscheidung zur Familiengründung mit der Entscheidung des Paares zur Reduktion der Erwerbsbeteiligung bzw. zum Verweilen in Nicht-Vollzeitbeschäftigung der Frau einhergeht und diese durch beide Partner beeinflusst wird. Zudem wird das Modell zur Analyse von Paneldaten mit mehr als zwei Wellen (Multi-Wave-Design) erweitert. Inhaltlich wird das Modell zur Analyse des innerpartnerschaftlichen Entscheidungsprozesses zur Familienerweiterung eingesetzt. Das Modell zur Geburt eines zweiten Kindes stellt eine Erweiterung des bisherigen Modells um die zeitliche Komponente dar, in dem der innerpartnerschaftliche Interaktionsprozess über Zeit betrachtet wird. Dabei werden die anstehenden Identifikationsprobleme zur Schätzung der relativen Parameter gelöst sowie geeignete Schätz- und Testverfahren entwickelt, die dann in die dreistufige Schätztechnik integriert und in das Programm MECOSA 3 implementiert werden. In allen betrachteten Modellen bestätigten sich durchgängig die Ausgangsannahmen der Modellkonzeption. Dies betrifft (1) die Relevanz der Dispositionen bzw. Kinderwünsche beider Partner, (2) das Vorliegen einer Paarinterdependenz und (3) die Bedeutsamkeit der biographischen Kontexte bzw. Individualmerkmale beider Partner für das generative Verhalten. Es zeigte sich, dass sich die Entscheidung für oder gegen ein (weiteres) Kind partnerschaftlich generiert. D.h., dass die Kinderwünsche beider Partner einen eigenständigen Erklärungsbeitrag für das generative Verhalten leisten. Zudem konnte festgestellt werden, dass beide Partner die Entscheidung gleichwertig bestimmen. Das generative Verhalten in Partnerschaften folgt demnach einem paritätischen Entscheidungsverlauf, da weder die Frau noch der Mann den Ausgang der Entscheidung dominieren. Dies gilt ferner für die Entscheidung des Paares zum Erwerbsverhalten der Frau im Zuge der Familiengründung. Darüber hinaus bestätigte sich die Annahme über das Vorliegen einer Paarinterdependenz, die in der wechselseitigen Einflussnahme der Kinderwünsche beider Partner aufeinander zum Ausdruck kommt. Dabei zeigte sich, dass der Kinderwunsch der Frau eine eindeutig wichtigere Bezugsgröße für den Mann darstellt als der Kinderwunsch des Mannes für die Frau. Zudem wurde im Rahmen der Modellerweiterung um die zeitliche Komponente auf Ebene der Paarinteraktion (Multi-Wave-Modell) ersichtlich, dass sich diese Beeinflussungsstruktur zwischen beiden Partnern im Partnerschaftsverlauf nicht verändert. In Bezug auf die Rahmung von Entscheidungsprozessen zur Familiengründung und - erweiterung konnte nachgewiesen werden, dass die Lebenssituationen beider Partner einen eigenständigen sowie gleichwertigen Erklärungsbeitrag für das generative Verhalten in Partnerschaften leisten. Dabei zeigte sich, dass die individuelle Ressourcenausstattung nicht nur Einfluss auf die eigenen Lebensgestaltungsoptionen und -präferenzen nimmt, sondern auch direkt den Handlungskontext des Partners betrifft.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Statistical modelling of decision-making processes in partnerships, Vortrag im Rahmen des Forschungskolloquiums des Instituts für Soziologie der Universität Duisburg-Essen am 07.12.2005 in Duisburg
Stein, Petra/Pavetic, Monika
- Statistical modelling of decision-making processes in partnerships, Vortrag im Rahmen des Forschungskolloquiums von Prof. Dr. Hans-Peter Blossfeld am 08.11.2005 in Bamberg
Stein, Petra/Pavetic, Monika
- Entwicklung eines Modells zur Analyse von Entscheidungsprozessen und Anwendung auf Fertilitätsentscheidungen in Partnerschaften, Vortrag im Rahmen der Veranstaltung der DGS- Sektion „Modellbildung und Simulation“ zum Thema Entstehung sozialer Ordnung des 33. Kongresses der DGS am 11.10.2006 in Kassel
Stein, Petra/Pavetic, Monika
- Entwicklung eines Modells zur Analyse von Entscheidungsprozessen und Anwendung auf Fertilitätsentscheidungen in Partnerschaften, Vortrag im Rahmen der Tagung der Arbeitsgruppe Strukturgleichungsmodelle/Working Group Structural Equation Modeling am 22.03.2007 in Bielefeld
Stein, Petra/Pavetic, Monika
- Modellierung von Fertilitätsentscheidungen im Paarkontext, Vortrag im Rahmen der Tagung der DGS-Sektion „Familiensoziologie“ zum Thema Beziehungs- und Familienentwicklung am 28.09.2007 in Heidelberg
Stein, Petra/Pavetic, Monika
- (2008): Entwicklung eines Modells zur Analyse von Fertilitätsentscheidungen in Partnerschaften, in: Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.): Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Frankfurt am Main: Campus, 2152-2167
Stein, Petra/Pavetic, Monika
- Statistical modelling of decision-making processes in partnerships, Vortrag im Rahmen der ISA-Tagung „7th International Conference on Social Science Methodology“ der RC33 „Logic and Methodology in Sociology“ am 03.09.2008 in Neapel
Stein, Petra
- (2009): Familiengründung und -erweiterung in Partnerschaften. Statistische Modellierung von Entscheidungsprozessen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Dissertationsschrift
Pavetic, Monika
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-531-91719-1) - Modellierung von generativen Entscheidungen im Paarkontext, Vortrag im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Demographie (DGD) zum Thema Sozioökonomische Unterschiede in der Fertilität und in der Mortalität - Beobachten wir zunehmend Ungleichheiten? am 03-05.03.2010 in Rostock
Stein, Petra/Pavetic, Monika