Ziele, Inhalte und Kompetenzen in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen. Eine historisch-empirische Analyse
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Studiengänge können als Orte der Selbstreproduktion einer Disziplin gefasst werden und unterliegen damit deren Ansprüchen und Vorstellungen. Gleichzeitig müssen sie formalen und strukturellen Vorgaben entsprechen, die durch den Bologna-Prozess in der standortübergreifenden Modularisierung eine formelle Homogenisierung erfahren haben. Dennoch wird erziehungswissenschaftlichen Studiengängen regelmäßig – mit Blick auf die Empirie – eine große Heterogenität unterstellt, die in den letzten Jahren in einer zunehmenden Ausdifferenzierung des Studiengangangebots gemündet sei. Auf Grundlage dieser Beobachtungen untersuchte das Forschungsprojekt ZIKE systematisch die zentralen Dokumente der Studiengangsgestaltung deutscher Hochschulstandorte für das Fach Erziehungswissenschaft. Im Zentrum der Analysen standen die Inhalte des Studiums sowie die Lernziele respektive Kompetenzen, die Studierende erwerben sollen. Entgegen der ursprünglichen Projektidee einer klassischen inhaltsanalytischen Bearbeitung des gesamten Korpus, rückte allerdings zunehmend die Notwendigkeit der Entwicklung eines an den Dokumenttyp angepassten Analyseverfahrens in den Mittelpunkt der Forschungstätigkeit. Die Heterogenität des Datenmaterials erforderte eine (deduktive) Reduktion der Kategorien auf vier Analysevariablen – Wissen und Anwendung sowie Fach und Handlungsfeld –, durch die schließlich sowohl ein synchroner Vergleich aktueller Bachelorstudiengänge als auch eine diachrone Analyse erziehungswissenschaftlicher Studiengänge vom Diplom- zum Bachelorund Masterstudium vollzogen werden konnte. Disziplinäre Studiengänge, ihre Schwerpunkte und ihre Ausrichtung ließen sich nun innerhalb einer Matrix beschreiben, und die visualisierte Darstellung in einem Koordinatensystem ermöglichte Veränderungen als Bewegung im Raum zu beschreiben. Die Projektergebnisse liefern weitreichende Erkenntnisse zur Konstitution erziehungswissenschaftlicher Studiengänge, ihrer Genese und aktuellen Gestalt. Gleichzeitig zeigen sie auf, dass die Chance auf eine Homogenisierung der Studiengangslandschaft im Zuge des Bologna-Prozesses in der Erziehungswissenschaft nicht genutzt wurde. Erziehungswissenschaftliche Studiengänge sind (und waren) heterogen und bisweilen diffus in ihrer Ausrichtung. Gleichzeitig kann mit Blick auf die vorliegenden Ergebnisse nicht von einer zunehmenden Ausdifferenzierung gesprochen werden, sondern vielmehr von einer Verschiebung respektive Translation des Studiums von der Wissens- zur Anwendungsorientierung. Die Analyse von Studien- und Prüfungsordnungen, ihren Studienabschnitten und Modulen, den formulierten Inhalten und insbesondere Lernzielen für die vergangenen 50 Jahre des Fachs Erziehungswissenschaft konnte insgesamt zeigen, dass Heterogenität ein konstituierendes Element dieser Studiengänge ist. Als inhaltliches Ergebnis erweitert diese Erkenntnis den aktuellen Forschungsstand disziplinärer Selbstbeobachtung. Gleichzeitig – und dies war zu Beginn des Projekts nicht abzusehen – wurde die Heterogenität des Korpus zur zentralen Herausforderung für die systematische methodische Bearbeitung einer bislang kaum untersuchten Dokumentart.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- "Ziele, Inhalte und Kompetenzen in erziehungswissenschaftlichen Hauptfachstudiengängen. Eine quantitative Inhaltsanalyse fachspezifischer Modulhandbücher". Jahrestagung der Kommission Wissenschaftsforschung an der Georg-August-Universität Göttingen am 5. Oktober 2017
Brauns, Johanna
- "Bewegungen zwischen Diplom- und Bachelorstudiengängen der Erziehungswissenschaft. Eine Analyse von Studien- und Prüfungsordnungen". 26. DGfE-Kongress an der Universität Duisburg-Essen am 19. März 2018
Brauns, Johanna
- "Was soll(te) gelehrt werden? Die Inhalte des erziehungswissenschaftlichen Studiums zwischen Diplom und Bachelor/Master". Jahrestagung der DGfE-Kommission Wissenschaftsforschung an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg am 28. September 2018
Brauns, Johanna
- (2018): Kompetenzen und Lernziele in erziehungswissenschaftlichen Hauptfachstudiengängen. Eine Inhaltsanalyse fachspezifischer Modulhandbücher. In: Katharina Vogel et al. (Hrsg.): Wendungen und Windungen in der Erziehungswissenschaft. Empirische Studien. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt (Beiträge zur Theorie und Geschichte der Erziehungswissenschaft, 45), S. 67-82
Brauns, Johanna
- (2021): Die Entwicklung erziehungswissenschaftlicher Fachstudiengänge im Spiegel ihrer Studien- und Prüfungsordnungen. Inhalte und Lernziele im Spannungsfeld von Heterogenität, Pluralität und Ausdifferenzierung. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen
Brauns, Johanna
(Siehe online unter https://doi.org/10.17875/gup2021-1766)