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Erbliche Aortenerkrankungen: Identifizierung neuer Krankheitsgene und funktionelle Analyse der molekularen Pathogenese

Fachliche Zuordnung Humangenetik
Förderung Förderung von 2016 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 308609320
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

TAAD (thorakales Aortenaneurysma und -dissektion) ist eine multifaktorielle Erkrankung mit einem hohen Anteil an genetischer Prädisposition. Für TAAD sind 32 Krankheitsgene beschrieben, jedoch findet man krankheitsverursachende Mutationen in diesen Genen nur bei weniger als der Hälfte der Patienten mit familiärer Vorgeschichte, was auf die Existenz weiterer Krankheitsgene hindeutet. Abhängig vom jeweils betroffenen Krankheitsgen ist der klinische Verlauf von TAAD-Spektrumerkrankungen unterschiedlich; dies spiegelt sich auch in unterschiedlichen Therapie-, Vor- und Nachsorgekonzepten wieder. Demnach ist die Kenntnis des zugrundeliegenden Gendefektes essentiell. Das zentrale Ziel des Vorhabens lag und liegt daher in der weiteren Charakterisierung der genetischen und pathophysiologischen Grundlagen von TAAD. (A) Um neue Kandidatengene für TAAD zu identifizieren wandten wir eine Familien-basierte Kandidatengen-Priorisierung an. Diese erwies sich als begrenzt zielführend, da sie außer dem Gen CDKL1 keine weiteren starken Kandidatengene lieferte. Aus diesem Grund führten wir Exom-Sequenzierungen von 68 nicht-verwandten Patienten mit TAAD durch und definierten mittels einer Gen-basierten Kandidatengen-Priorisierung 14 neue Kandidatengene (z.B. PEAR1) für TAAD. Diese sollen hinsichtlich ihrer Krankheitsrelevanz in Folgeprojekten weiter analysiert werden. Ein Fazit aus dem Projektverlauf ist, dass wir genetische Risikovarianten zukünftig verstärkt im Sinne von komplexen Erbgängen verstehen und zu identifizieren versuchen. (B) Mittels einer Kombination aus Routine- und Forschungsgenpanelanalysen konnten wir in einer Gesamtkohorte von etwa 300 Patienten mit TAAD-Spektrumerkrankungen bei 51 Patienten (wahrscheinlich) pathogene Varianten in bekannten TAAD-Krankheitsgenen (z.B. LOX, MHY11, TGFBR1) aufdecken. Darüber hinaus identifizierten wir bei 48 weiteren Patienten mit TAAD (wahrscheinlich) pathogene Varianten in bisher noch nicht mit TAAD assoziierten Genen (z.B. COL2A1, FLNA). Dadurch konnten wir 10 neue Hypothesen hinsichtlich der genetischen Ätiologie bzw. der klinischen Manifestationen für TAAD entwickeln, neue Forschungsstränge konzipieren und Projekte starten. (C) Wir führten umfangreiche Analysen zu unserem primären TAAD-Kandidatengen CDKL1 und den aufgedeckten Varianten (p.Cys144Arg, p.Ser207Leu und p.Thr136Met) durch: (i) In silico Strukturmodellanalysen deuten auf teils gravierende strukturelle Auswirkungen der identifizierten CDKL1 Varianten. (ii) Es zeigte sich für alle drei putativ pathogenen CDKL1-Varianten eine reduzierte Kinaseaktivität. (iii) Das Ausschalten vom cdkl1 in Zebrabärblingen führte zu Fehlbildungen im Gefäßsystem. (iv) CDKL1 ist in Zellverbänden mit Progenitorzellen in der Aortenwand exprimiert; Progenitorzellen ermöglichen der Vaskulatur eine bemerkenswerte Wachstums- und Regenerationskapazität. (v) Kinase Profiling Experimente deuten auf mutationsspezifische Veränderungen in der Substratphosphorylierung. Aus diesen Resultaten ergibt sich unsere derzeitige Arbeitshypothese: CDKL1 nimmt in Progenitorzellverbänden in der Aortenwand eine Funktion bei der Regeneration von geschädigtem Aortengewebe ein. Der Verlust der CDKL1-Funktion könnte zum Verlust der Regenerationsfähigkeit von Aortengewebe führen und so TAAD verursachen; dies wäre ein neuer, bislang unbeschriebener Pathomechanismus für erbliche Aortenerkrankungen. Zusammengenommen leistet unsere Studie einen Beitrag zur vollständigen molekulargenetischen Aufklärung der TAAD; dies ist ein unabdingbarer Schritt zu einer adäquaten Ätiologie-basierten Versorgung aller Betroffenen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • The role of the multidisciplinary health care team in the management of patients with Marfan syndrome. J Multidiscip Healthc. 2016;9:587-614
    von Kodolitsch Y, Rybczynski M, Vogler M, Mir TS, Schuler H, Kutsche K, Rosenberger G, Detter C, Bernhardt AM, Larena-Avellaneda A, Kolbel T, Debus ES, Schroeder M, Linke SJ, Fuisting B, Napp B, Kammal AL, Puschel K, Bannas P, Hoffmann BA, Gessler N, Vahle-Hinz E, Kahl-Nieke B, Thomalla G, Weiler-Normann C, Ohm G, Neumann S, Benninghoven D, Blankenberg S, Pyeritz RE
    (Siehe online unter https://doi.org/10.2147/jmdh.s93680)
  • 16p13.11 microdeletion uncovers loss-of-function of a MYH11 missense variant in a patient with megacystis-microcolon-intestinal-hypoperistalsis syndrome. Clin Genet. 2019;96(1):85-90
    Kloth K, Renner S, Burmester G, Steinemann D, Pabst B, Lorenz B, Simon R, Kolbe V, Hempel M, Rosenberger G
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/cge.13557)
  • Next-generation sequencing of 32 genes associated with hereditary aortopathies and related disorders of connective tissue in a cohort of 199 patients. Genet Med. 2019;21(8):1832-1841
    Renner S, Schüler H, Alawi M, Kolbe V, Rybczynski M, Woitschach R, Sheikhzadeh S, Stark VC, Olfe J, Roser E, Seggewies FS, Mahlmann A, Hempel M, Hartmann MJ, Hillebrand M, Wieczorek D, Volk AE, Kloth K, Koch-Hogrebe M, Abou Jamra R, Mitter D, Altmüller J, Wey-Fabrizius A, Petersen C, Rau I, Borck G, Kubisch C, Mir TS, von Kodolitsch Y, Kutsche K, Rosenberger G
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1038/s41436-019-0435-z)
  • Exome sequencing in 38 patients with intracranial aneurysms and subarachnoid hemorrhage. J Neurol. 2020;267(9):2533-2545
    Sauvigny T, Alawi M, Krause L, Renner S, Spohn M, Busch A, Kolbe V, Altmüller J, Loscher BS, Franke A, Brockmann C, Lieb W, Westphal M, Schmidt NO, Regelsberger J, Rosenberger G
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s00415-020-09865-6)
 
 

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