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Allgemeine Wehrpflicht, Militär und Wohlfahrtsstaatsentwicklung in Europa

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2016 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 288593944
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Dieses interdisziplinäre Projekt untersuchte aus vergleichender Perspektive den Einfluss von Militär, allgemeiner Wehrpflicht und industrialisierten Massenkriegen auf die Entwicklung des Sozialstaates. Es wurde argumentiert, dass in Militär und Politik seit dem späten 19. Jahrhundert im Kontext der Ausbreitung der allgemeinen Wehrpflicht und grundlegender Veränderungen in der Art der Kriegsführung das Interesse an bevölkerungspolitischen Fragen kontinuierlich gestiegen ist. Neben der Zahl an mobilisierbaren Soldaten spielte die physische Fitness und der Bildungsstand der jungen männlichen Bevölkerung eine zunehmend wichtige Rolle für die Kriegsführung. Wir konnten zeigen, dass militärische Bedenken im Hinblick auf die Quantität und Qualität der Bevölkerung Reformen in der Sozialpolitik und im primären Bildungswesen mit angestoßen haben. Der sozialpolitische Handlungsbedarf ist bei Kriegsausbruch massiv gestiegen. In der Kriegszeit blieb jedoch ein Ausbau der Sozialpolitik angesichts hoher Rüstungsausgaben mit wenigen Ausnahmen aus und es wurden überdies Schutzvorschriften abgebaut. Zur Generierung von Massenloyalität setzten die kriegsführenden Staaten auf sozialpolitische Propaganda in Gestalt von Sozialstaatsversprechen. Unmittelbar nach Kriegsende kam es im Rahmen der Kriegsfolgenbewältigung zu einem massiven Ausbau staatlicher Sozialpolitik. Dies betrifft neben dem Ausbau bestehender Sozialschutzsysteme auch die Modernisierung der Kriegsopferversorgung und die Einführung von Arbeitslosenversicherungen und Transferleistungen für Familien. Damit war ein enormer Schubeffekt auf die Sozialausgaben verbunden, der über fast drei Jahrzehnte die zwischenstaatlichen Unterschiede in den Ausgabenprofilen prägte. Eindeutig kriegsinduziert war schließlich der Aufbau einer eigenständigen Sozialstaatsbürokratie. Der Großteil der Länder der westlichen Welt hat im oder unmittelbar nach dem Erstem Weltkrieg ein Sozialministerium errichtet. Die Nachzüglerstaaten folgten schließlich im Zweiten Weltkrieg. Beide Weltkriege waren daher wichtige Umbruchsmomente in der sozialpolitischen Entwicklung und übten einen Schrittmachereffekt in der staatlichen Sozialpolitik aus.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2020). Conscription, the Military, War, and Welfare State Development in Europe, Historical Social Research 45:2 (special issue)
    Obinger, Herbert (Hrsg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.12759/hsr.45.2020.2.7-26)
  • (2018). The Impact of the Second World War on Postwar Social Spending, in: European Journal of Political Research 57 (2), S. 496-517
    Obinger, Herbert; Carina Schmitt
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/1475-6765.12236)
  • (2018). Warfare and Welfare. Military Conflict and Welfare State Development in Western Countries, Oxford: Oxford University Press
    Obinger, Herbert; Klaus Petersen; Peter Starke (Hrsg.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/oso/9780198779599.001.0001)
  • (2020). The Military Influence on German Pronatalism, in: Contemporanea. Rivista di storia dell'800 e del '900, Themenheft „From War to Welfare. Global Perspectives since the Nineteenth Century” 23 (4), S. 519–539
    Dörr, Nikolas; Lukas Grawe
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1409/99934)
  • (2020). Total War and the Emergence of Unemployment Insurance in Western Countries, in: Journal of European Public Policy 27 (12), S. 1879–1901
    Obinger, Herbert; Schmitt, Carina
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/13501763.2019.1696388)
  • (2020). Veteranen- und Kriegsopferversorgung und Sozialstaatsentwicklung in Australien, Deutschland, Österreich und den USA, in: Politische Vierteljahresschrift, 61 (3) 2020, S. 473–501
    Obinger, Herbert; Lukas Grawe, Nikolas Dörr
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s11615-020-00228-4)
  • (2020). World Wars and Welfare Legislation in Western Countries, in: Journal of European Social Policy 30 (3), S. 261-274
    Obinger, Herbert; Schmitt Carina
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0958928719892852)
  • (2021). Der preußisch-deutsche Bergbau im Kaiserreich und im Nationalsozialismus – sozialpolitischer Vorreiter aus militärischen Gründen? In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 69 (11), S. 905-927
    Dörr, Nikolas; Lukas Grawe
  • (2021). „Der deutsche Arbeiter wird in 10 Jahren besser aussehen als heute ein englischer Lord.“ Deutsche und britische Sozialstaatspropaganda in beiden Weltkriegen, in: Leviathan – Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft 49 (3) 2021, S. 386-425
    Obinger, Herbert; Nikolas Dörr; Lukas Grawe; Michele Mioni
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5771/0340-0425-2021-3-386)
  • (2022). Ein Sonderfall zivil-militärischer Kooperation im Ersten Weltkrieg. Die Zusammenarbeit von Sozialversicherungsämtern und deutschen Militärbehörden bei der Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten, in: Historische Zeitschrift 314 (1), S. 32-67
    Dörr, Nikolas; Lukas Grawe
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/hzhz-2022-0002)
 
 

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