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Lokalisierung und Kritikalität in hierachischen modularen Netzwerken: Modellierung der Aktivitätsmuster im menschlichen Gehirn
Antragsteller
Privatdozent Paolo Moretti, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Statistische Physik, Nichtlineare Dynamik, Komplexe Systeme, Weiche und fluide Materie, Biologische Physik
Förderung
Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 282381181
Die neuronalen Aktivitätsmuster im Gehirn sind durch persistente Lokalisierungsphänomene gekennzeichnet, das heißt, das Gehirn kann in bestimmten Regionen Aktivität über lange Zeiträume auch dann aufrechterhalten, wenn keine äußeren Reize auf diese Regionen einwirken. Solche persistierenden Aktivitätsmuster sind möglicherweise eine notwendige Voraussetzung für die funktionelle Differenzierung verschiedener Gehirnmodule. Gleichzeitig ist aber bekannt, dass die Gehirnaktivität auf globaler Ebene durch kritisches Verhalten gekennzeichnet ist, sich also in Form von zeitlichen Bursts entwickelt - neuronalen Lawinen, deren Größenverteilung einem Potenzgesetz folgt. Dieser Aspekt scheint im Widerspruch zum Bild der Lokalisierung zu stehen, da kritisches Verhalten in physikalischen Gleichgewichts- wie Nichtgleichgewichtssystemen regelmäßig mit dem Auftreten systemübergreifender Korrelationen verbunden ist. Dieser scheinbare Widerspruch kann im Rahmen neuer Konzepte hinsichtlich der Struktur des Gehirnnetzwerkes aufgelöst werden. Es wurde festgestellt, dass solche Netzwerke als hierarchische modulare Netzwerke (HMNs) betrachtet werden können. Wenn man diese Art von Netzwerkmodellen untersucht, ergeben sich nicht nur Lokalisierungsphänomene in natürlicher Weise aus der Netzwerkstruktur, sondern es zeigt sich auch, dass solche Netzwerke robustes kritisches Verhalten auch ohne Feinabstimmung von Parametern auf einen kritischen Punkt aufrechterhalten können, wie sie dagegen in einfachere Netzwerkstrukturen erforderlich ist. Neuere Kartierungen sowohl der strukturellen wie der funktionellen Organisation des Gehirns sind mit der Modellierung als HMN konsistent. Ausgehend von dieser Idee ist es das Ziel dieses Projekts, die Beziehung zwischen Struktureigenschaften und Aktivitätsmustern in HMNs besser zu verstehen, zu untersuchen, welche Beziehungen zwischen Netzwerkstrukturen und Aktivitätsmustern in strukturellen und funktionellen Hirnkartierungen bestehen, und zu prüfen, wie diese Beziehungen durch Alter oder Krankheit verändert werden. Zu diesem Zweck verwenden wir das Konzept der Netzwerklokalisierung in HMNs und deren Untersuchung durch Spektralanalyse wie in Vorarbeiten des Antragstellers eingeführt. Wir wenden diese Methodik sowohl auf computergenerierte Modelle von Gehirnnetzwerken als auch auf experimentelle Daten an, welche die anatomische Konnektivität und die Aktivitätsmuster im menschlichen Gehirn charakterisieren. Wir untersuchen die folgenden Fragestellungen: Gibt es spektrale Fingerabdrücke der Lokalisierung in realen Hirnnetzwerken, die sowohl strukturelle als auch funktionelle Kartierungen gemeinsam haben? Kann eine Spektraltheorie der Lokalisierung in HMNs die Entstehung solcher Fingerabdrücke erklären? Was für Erkenntnisse über die Lokalisierung und Persistenz der Aktivität im menschlichen Gehirn und über neuronale Lawinenphänomene können wir aus großen Computersimulationen empirisch basierter Modelle von Gehirnnetzwerken gewinnen?
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen