Self processes and pupil careers: an interactionist approach to structural reproduction
Final Report Abstract
Das Projekt „Selbstprozesse und Schülerkarrieren – ein interaktionistischer Zugang zur strukturellen Reproduktion“ stellt die Frage nach den Prozessen, in denen Kinder zu erfolgreichen/weniger erfolgreichen Lernern werden. Es fokussiert a) die Interaktionen zwischen den Beteiligten (Eltern, Kindern, Lehrkräften) und deren Bedeutung für das Erzeugen und Wirksamwerden von Selbstprozessen der Kinder. Die Interaktionen, die den Bildungserfolg begünstigen bzw. beeinträchtigen, interessieren b) unter dem Gesichtspunkt der Bildungsungleichheit, dem gut belegten Befund eines unterschiedlichen Bildungserfolgs und einer unterschiedlichen Bildungsteilhabe von Schülern und Schülerinnen entsprechend dem sozialen Status ihrer Herkunftsfamilie: In welcher Weise übersetzen solche Interaktionen soziale Herkunft in Bildungsvorteile, modifizieren sie oder kompensieren sie sogar Herkunftseffekte? Insbesondere interessieren c) auch die Kinder als Akteure in diesen Interaktionen: Untersucht werden sollten ihre Selbstprozesse (Selbsteinschätzung, Selbstverortung und Selbstpräsentation) und ihre Strategien im Umgang mit den Anforderungen der Schule. Damit wird dem dominierenden Modell in der Erforschung von Bildungsungleichheit, das schichtspezifisches Elternverhalten zentral setzt, eine prozessuale und kindzentrierte Sichtweise als neuer Input hinzugefügt, theoretisch und empirisch. Das Geschehen der strukturellen Reproduktion wird in einem qualitativen und quantitativen Längsschnitt (Mixed-Methods-Design) mit Blick auf alle Beteiligten und deren Interaktionen studiert. Das Projekt baut auf einem Vorläuferprojekt auf, das vom BMBF unterstützt wurde und in dem bereits drei Erhebungszeitpunkte abgedeckt wurden. Damit kann mit dieser neuen Erhebungswelle der Verlauf von der zweiten bis zur sechsten Klasse untersucht werden. Die vierte Erhebungswelle umfasst 1332 klassenweise befragte SuS der sechsten Klasse, dazu kommen 24 qualitative Familienporträts (Eltern, Kinder und teilweise Lehrkräfte) und sieben Gruppeninterviews mit SuS der fünften, sechsten und siebten Klassen. Sowohl die quantitative wie auch die qualitative Analyse stützen die interaktionistische Vorstellung. Sie zeigen dass Bildungserfolg wesentlich über die Selbstprozesse der Kinder gesteuert wird, während die Eltern ihre Bedeutung für den Bildungserfolg vor allem über den sozialen Status, kaum aber über die erhobenen Praktiken des Elternseins (Kulturpraktiken, schulische Unterstützung, soziale Qualitäten des Elternverhaltens) erhalten; das zeigt die quantitative Analyse. Zwar sind die Praktiken des Umgangs mit den Kindern wesentlich auf strukturelle Reproduktion ausgerichtet (und wir bezeichnen sie aufgrund ihres strategischen Charakters auch als „Familienprogramme“), als solche reagieren sie aber auch stark auf den schulischen Erfolg der Kinder; das zeigt die qualitative Analyse. Die Einsichten in die Bedeutung der Akteurschaft der Kinder lassen sich noch einmal ganz besonders bestätigen für die Gruppe der Kinder, die entgegen ihrer sozialstrukturellen Ausgangsposition erfolgreich sind. Diese „Aufsteiger“ – Schüler aus dem untersten HISEI Terzil mit guten bis sehr guten Noten auf Gesamtschule oder Gymnasium – zeichnen sich durch ein hohes akademisches Selbstkonzept, besondere Selbständigkeit gegenüber den Eltern und die Wahl geeigneter Schülerstrategien aus. Das lässt sich quantitativ und qualitativ belegen. Ein weiteres Ergebnis betrifft schulartspezifische Schülerstrategien und -kulturen. Auch diese lassen sich quantitativ und qualitativ belegen. Während GymnasiastInnen häufiger Strategien wählen, die auf das selbständige Erfüllen von Leistungsnormen abzielen, suchen vor allem die Haupt-/Sekundar- und RealschülerInnen häufiger den guten Kontakt zu Lehrkräften, nicht nur aus eigener Bedürftigkeit: Solche Strategien werden hier auch mit besseren Noten belohnt.