Constructions of North American Antiquity in Colonial and Postcolonial Contexts
Final Report Abstract
Das Projekt hatte sich zum Ziel gesetzt, die sich wandelnden Theorien und Narrative über die ursprüngliche Besiedlung des amerikanischen Kontinents unter kulturhistorischen und diskurskritischen Gesichtspunkten als Reflexionen intellektueller Befindlichkeiten zu betrachten, deren Ursprünge jeweils zeitgenössischer Natur sind. Neben der zeitlosen Faszination mit prähistorischen Migrationen und untergegangenen Kulturen spielen seit Mitte des 19. Jahrhunderts legitimatorische und sinnstiftende Aspekte bei der Beschäftigung mit „American Antiquity“ eine große Rolle: Sie reflektieren die ‚Entzauberung‘ der Moderne als Folge naturwissenschaftlicher Erkenntnisse; an ihr entzünden sich Konflikte zwischen Indigenen und Immigranten über territoriale Rechte und ökologische Kontrolle. Konfligierende historische Narrative über das Leben in Amerikas grauer Vorzeit sind ein Nebenschauplatz aktueller Konflikte um Territorien und kollektive Identität. Historisch konzentrierte sich die Monographie auf die Zeit zwischen ca. 1840 (also der Phase von Manifest Destiny und amerikanischer imperialer Expansion) und die 1890er (Kolonisierung der Klamath und Modoc im US-amerikanischen Nordwesten). Webseite und Aufsatzband haben ein wesentlich größeres geographisches Spektrum. Allen Projektteilen gemeinsam ist die Intention, historische Ereignisse und deren Repräsentationen in Bezug zu deren Rezeption innerhalb und außerhalb wissenschaftlicher Kerndiskurse zu analysieren. Die Herangehensweise war notwendigerweise exemplarisch. Die Monographie enthält Kapitel zur Konstruktion amerikanischer Urzeitnarrative zur Zeit der territorialen Expansion und des Aufkommens eines geologischen Zeitbegriffs (John Hutton, Charles Lyell, Charles Darwin). Die sukzessive Zurückdrängung des biblischen Zeitnarrativs durch ein geologisches führte zu völlig neuen Bewertungen archäologischer Funde, die durch die wachsende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Vergangenheit im 19. Jahrhundert zustande kamen. Emotionshistorisch gesehen diente die intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit der menschlichen Ur- und Frühgeschichte als Bewältigung einer spirituellen Krise angesichts der Unbegreiflichkeit historischer und räumlicher Endlosigkeit (wie anhand literarischer Texte z.B. von Melville und Twain gezeigt wird). Das längste Kapitel der Monographie gilt einer Analyse der Narrativisierung eines urzeitlichen kataklysmischen Ereignisses – des Vulkansausbruchs, der zur Entstehung des Crater Lake in Oregon führte. Die Arbeit an kolonialen geologischen Rekonstruktionen im Zusammenhang mit indigenen Überlieferungen gibt Aufschluß über die transkulturellen Verquickungen von wissenschaftlicher Faktenproduktion und dem überlieferten Erzählmaterial indigenen Ursprungs. Das Material wirft weitere Fragen auf, z.B. zur Selektivität der Entstehung historischen Wissens, zum Alter mündlicher Traditionen und zur Ästhetisierung von Land und Natur in transkulturellen Situationen. Die Webseite dient der allgemein verständlichen Darstellung von Narrativen und bildlichen Darstellungen über die amerikanische Frühzeit, der an der Erarbeitung dieses Wissens beteiligten Personen sowie der kritischen Diskussion (pseudo)wissenschaftlicher Theorien. Eine „Überraschung“ bestand in der Erkenntnis, daß einige der Wissenschaftsmythen im Kontext der gegenwärtigen Fetischisierung von Ancestry DNA-Analysen und der zu beobachtenden neorassistischen Diskurse in den USA zusätzliche Bedeutungen entfalten, indem sie sich für ein neurechtes Gedankengut verfügbar machen. Das Projekt speiste sich u.a. aus empirischen und theoretischen Erkenntnissen aus den Transnational American Studies, den Colonial Discourse Studies, der angloamerikanischen und postkolonialen Wissenschaftsgeschichte, den Native American Studies und den postkolonialen Environmental Studies. Es wurde die Annahme bestätigt, daß selbst wissenschaftliches Wissen über die Frühzeit Amerikas nicht in einem ideologiefreien Raum entsteht sondern dem Spiel von Machtinteressen unterliegt, wie sie in transkulturellen und kolonialen Situationen entstehen. Bestätigt wurde auch die ebenso wichtige Erkenntnis, daß Wissen Macht immer auch hinterfragt, eine Dialektik, die die Begriffe der „Kolonialität“ von Wissen und der „border gnosis“ treffend beschreiben (Mignolo, Quijano).
Publications
- “Pre-Columbian Transatlantic Voyages.” Oxford Bibliographies in Atlantic History. Ed. Trevor Burnard. New York: Oxford University Press, 2017
Mackenthun, Gesa
(See online at https://doi.org/10.1093/OBO/9780199730414-0276) - “‘Unhallowed Mysteries’ in the Colonial Archive. Competing Epistemologies in North America.” Concurrences in Colonial and Postcolonial Studies. Ed. Diana Bryden, Peter Forsgren, and Gunlög Fur. Amsterdam: Rodopi, 2017. 88-110
Mackenthun, Gesa
(See online at https://doi.org/10.1163/9789004347601_005) - “Storied Landscapes: Colonial and Transcultural Inscriptions of the Land.” Processes of Spatialization in the Americas: Configurations and Narratives. Ed. Gabriele Pisarz- Ramirez and Hannes Wernecke-Berger. Frankfurt/M.: Lang, 2018. 53-74
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- “Sacred Pact or Overkill? Human-Bison Relations in North American Mythologies.” Birgit Spengler and Babette Tischleder (eds.) An Eclectic Bestiary: Encounters in a More-Than-Human World. Bielefeld: transcript, 2019
Mackenthun, Gesa
(See online at https://doi.org/10.14361/9783839445662-015) - Unsettling Colonial Temporalities: Oral Traditions and Indigenous Literature. In M. Taylor (Ed.), The Cambridge History of Native American Literature (pp. 33-50). Cambridge: Cambridge University Press. S. 33-50
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(See online at https://doi.org/10.1017/9781108699419.003) - (2021). Decolonizing “Prehistory.” The University of Arizona Press. xiii, 271 S.
Mackenthun, Gesa, and Christen Mucher, eds.
- Embattled Excavations. Colonial and Transcultural Constructions of the American Deep Past. Monographie, 2021. 240 Seiten
Mackenthun, Gesa