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Antikes Theater von Patara/Türkei: ein kompletter Neu-Befund Dokumentation, Rekonstruktion, Interpretation

Fachliche Zuordnung Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Förderung Förderung von 2006 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 27337171
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Mit der partiellen, in repräsentativen Sondagen durchgeführten Freilegung vor allem des Bühnengebäudes bzw. des Bühnenbereiches, der Vermessung und zeichnerischen Dokumentation der wichtigsten in-situ-Befundbereiche des gesamten Theaters und der Untersuchung und Dokumentation der aussagekräftigsten ex-situ-Bauglieder ließ sich ein selten so kompletter und relativ gut erhaltener Neu-Befund eines antiken Theaters praktisch vollständig erschließen, zeichnerisch rekonstruieren und interpretieren. Das zweigeschossige, wohl zu hadrianischer Zeit errichtete Bühnengebäude über einem hyposkenion-HaIbgeschoß fällt durch die aufwändige Ausgestaltung sowohl seiner zur Stadt hin gerichteten Nordfassade, als auch seiner scaenae-frons-Architektur im Inneren auf. Unterschiedlich tiefe, breite und hohe und dazu noch üppig ornamentierte Baldachin- bzw. Nischenarchitekluren lassen diese Schmuckfassaden geradezu barock erscheinen. Die zweigeschossige scaenae-frons-Architektur, die sich auf zehn Fundamentierungspodesten in stark konvex-konkaver Verkröpfung über der Bühnenplattform erhob, war zudem noch durch verschiedenfarbige Buntmarmor-Säulen geschmückt und ihre Mitte durch ein Bogen überwölbtes Schmuckportal prächtig akzentuiert. Das eigentliche Bühnenpodium hatte zunächst eine hölzerne Plattform, die in einer zweiten, wohl antoninischen Phase dann durch eine sehr komplexe Ziegelgewölbe-Substruklion ersetzt und mit Marmor getäfelt wurde. Den sich gegenüber öffnenden Zuschauer- und orchestra-Raum schloss das Bühnengebäude wirkungsvoll zu einem hoch umschlossenen Theater-Gesamtraum ab. Das überhalbkreisförmige, schon in hellenistischer Zeil in den im Süden der Stadt aufragenden Hügel eingeformte Zuschauerrund (=koilon) ist nicht nur mit seinen auf zwei Ränge verteilten Sitzstufenreihen weitgehend erhallen geblieben, sondern weist zudem so viele Einarbeitungen auf, die wohl der Befestigung von Geländern bzw, Orientierungstafeln zur Nummerierung der einzelnen Sitzstufenbereiche dienten, und 'graffiti' auf den Sitzstufen, die Aufrufe zum Applaus enthalten, dass damit ein überaus lebendiges Bild des Theateralltags entsteht. Über den westlichen Zugangstunnel auf diazoma-Höhe konnten die Zuschauer das Theater zudem direkt auf den dort auf gleicher Höhe anschließenden Hügelrücken verlassen und das Panorama hoch über der Hafeneinfahrt genießen. Bekrönt wurde das koilon von einem kleinen Tempel, einem säulenlosen Naos, der in der zweiten Phase errichtet wurde und den religiösen Kontext zu veranschaulichen vermag, ohne den antikes Leben, Versammein, Wettkämpfen und Spielen, gerade in Kleinasien, nicht zu denken waren. In diesem obersten koilon-Bereich waren östlich des Tempels bereits Quader gesetzt, die die Masten für die Sonnensegel aufnehmen sollten, wozu es aber wahrscheinlich niemals kam, denn auf der anderen Seite waren im anstehenden Fels noch nicht einmal die Steinbruchspuren und Felsrücken gänzlich abgearbeitet worden, um auch hier Halterungen für den Sonnenschulz anbringen zu können. Diese und andere Details weisen auf eine Eigenart wohl nicht nur dieses Baukomplexes hin, dass er nämlich niemals ganz fertig gestellt worden war, was aber nicht daran hinderte, das Theater voll zu nutzen und mit einer Dedikationsinschrift zu versehen, in der Bauteile als geweiht genannt werden, die eben nicht wirklich ausgeführt waren. Einweihung muss also nicht gleichbedeutend mit Baufertigstellung verstanden werden. Vielmehr wird auch hier das Bild eines sehr lebendigen 'Bauimprovisationstheaters' vermittelt, in dem eine gewisse Unfertigkeit bzw. Nonchalance im Umgang mit baulichen Details ganz alltäglich gewesen ist bzw. sich meisterliche Improvisationsfähigkeiten ausdrücken, deren man sich bei der Bearbeitung des offenbar 'butterweichen' Steinmaterials sicher war. Aber es werden darin sicherlich auch Finanzierungsengpässe sichtbar, weil Stiftungsgelder immer wieder nicht ganz ausreichten. Das Übersteigen ursprünglich veranschlagter Baukosten hat also Geschichte, allerdings nutzte man damals das Theater bei fehlendem Finanzierungsspielraum trotz allem als 'Spielraum'. Und so wurde dann auch, wohl in spätanliker Zeit, die orchestra umgebaut und mit einer hohen, verputzten und wohl bemalten Mauer umgeben, die aus Baugliedern bestand, die zum Großteil wohl yom Theater selbst stammten; offenbar war es zu diesem Zeitpunkt schon so arg mitgenommen, dass wir uns z.B. die scaenae-frons-Architektur weitgehend zerlegt vorstellen müssen. Welcher ganz anderen Art von 'Spiel', von der Bühne in die orchestra verlegt, nun Platz gemacht worden war, ist noch nicht wirklich klar, denn so manche Beobachtungen bestätigen die für diese Zeit so oft vermuteten Tierhatzen nicht unbedingt. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahrhunderten am Theater ließen sich dazu keinerlei Inschriften finden, die uns ansonsten, zusammen mit den Baubefunden, Einblicke in eine überaus lebendige Stiftungs-, Bau- und Nutzungsgeschichte boten. Richard Bernstein berichtete ua. auch über unsere Arbeiten in der "New-York-Times" am 19.9.2005, z.T. abgedruckt auch in NYT-Beilagen europäischer Zeitungen, so z.B. im supplemento von "la Repubblica" am 28.9.2005.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Doch kein Erdbeben in Patara?, Antike Welt 4/2008, S. 45-51
    Joachim Ganzert
 
 

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