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Gedankenlesen als Kulturtechnik: Eine Genealogie des Imaginären digitaler Medien
Antragsteller
Professor Dr. Christian Kassung
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Wissenschaftsgeschichte
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Wissenschaftsgeschichte
Förderung
Förderung von 2015 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 270289388
Innerhalb der Parapsychologie wird Gedankenlesen als die Fähigkeit bezeichnet, Informationen über die Gedanken von Menschen durch außersinnliche Wahrnehmung zu gewinnen. Mit der Einführung des Begriffs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde dieser jedoch in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Insbesondere ist Gedankenlesen ein Synonym für Technologien und kulturelle Praktiken geworden, die Informationen über die Gedanken oder die Gefühle eines Menschen generieren, speichern und visualisieren. So werden auf dem Gebiet der Informatik Computerprogramme, die auf Gefühle und mentale Zustände von Menschen reagieren, als Apparate zum Lesen von Gedanken bezeichnet. Aber auch Algorithmen, die das Verhalten von Nutzern und Verbrauchern antizipieren, um ihnen maßgeschneiderte Angebote und Dienste anbieten zu können (z.B. in den Anzeigen von Google oder in Amazons "anticipatory delivery"), werden als eine Form von Gedankenlesen beschrieben.Warum ist das Konzept des Gedankenlesens mit so unterschiedlichen Phänomenen und Perspektiven verbunden worden? Wie kann man eine derart komplexe Verflechtung zwischen Technologie und Okkultismus aus ihrer Geschichte heraus verstehen? Und schließlich: Wie hat Gedankenlesen als Kulturtechnik die Entwicklung der modernen digitalen Medientechnologien beeinflusst? Das Projekt verwendet archivbasierte historische Methoden, um diese Fragen zu beantworten. Untersucht werden die Wechselwirkungen zwischen digitalen Medientechnologien und Kulturtechniken des Gedankenlesens ab circa 1880, als sich der Begriff des Gedankenlesens innerhalb der Parapsychologie konstituierte, bis in die 1940er und 1950er Jahre, als Wissenschaftler im Zuge von Kybernetik und Künstlicher Intelligenz begannen, Computerprogramme als "Gedankenlesemaschinen" zu schreiben.Durch die Analyse des Gedankenlesens als einer Kulturtechnik, die bestimmte Praktiken und Technologien im Bereich der Informatik und der digitalen Medien lange vor deren begrifflicher Ausformulierung stabilisierte, wird das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Genealogie der "neuen" digitalen Medien leisten. Zentral geht es dabei um die Erforschung sowohl der Beziehungen zwischen digitalen Medien und der Phantasie wie der Auswirkungen von okkulten Theorien und Wissensformen auf die modernen und zeitgenössischen Gesellschaften. Das Projekt situiert sich mit seinem interdisziplinären Ansatz am Kreuzungspunkt von Medienwissenschaft, Informatik, Wissenschafts- und Kulturgeschichte.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen