Das Projekt „Messinstrumententwicklung, Modellierung und Validierung einer BNE-Teilkompetenz zur quantifizierenden Bewertung von Handlungsoptionen“ entwickelt das Göttinger Modell der Bewertungskompetenz für Gestaltungsaufgaben Nachhaltiger Entwicklung weiter. Bisher berücksichtigte das Modell nur ein argumentativ-qualitatives Bewerten von nachhaltigkeitsrelevanten Handlungsoptionen. Hohe Werte der bisherigen Teilkompetenzen werden dabei nicht durch die „richtige“ Identifizierung einer einzelnen Handlungsoption angezeigt, sondern durch (1) die Einbindung relevanter Werte und Normen, (2) deren sachgerechten Bezug auf die Angaben zu Handlungssituation und –optionen, sowie (3) die Anwendung systematischer Entscheidungsstrategien. Das vorliegende Projekt ergänzt das Göttinger Modell um eine quantitative Komponente. Diese Weiterentwicklung spiegelt die Tatsache wider, dass im (Fach-) Diskurs zunehmend mit quantifizierten Angaben operiert wird. Treten ethische und faktische Ungewissheiten nicht entscheidungsrelevant hervor, können die voraussichtlichen Wirkungen und Kosten der Handlungsoptionen quantitativ modelliert werden. Dabei kann oft eine beste, „richtige“ Lösung identifiziert werden. Um diese quantitative Komponente zu fassen, wurde „Lösungsansätze umwelt- und institutionenökonomisch analysieren und reflektieren“ (LUR) als Bewertungskompetenz hergeleitet und zunächst eindimensional modelliert. Detaillierte Erkenntnisse der Hauptstudie (N=760; Modellierung mit Partial Credit Modell) sprechen jedoch für zwei LUR-bezogene Teilkompetenzen: „quantitatives Bewerten“ (TK1) und „Perspektivenwechsel vollziehen“ (TK2). Beide Teilkompetenzen sind inhaltlich interpretierbar, hinreichend trennscharf und eigenständig gegenüber dem qualitativen Bewerten. Die Zusammenhänge sind erwartungskonform. Gleiches zeigt sich in Validierungen gegenüber ökonomischer Grundfähigkeit, mathematischen Kompetenzen, analytischem Problemlösen und Noten in curricular relevanten Schulfächern. Die LUR-Teilkompetenzen nehmen von Sekundarstufe I zu II sowie im Studium zu. Während sich bei TK1 die Geschlechter nicht unterscheiden, gelingt Probandinnen das Übernehmen nachhaltigkeitsrelevanter Perspektiven (TK2) besser. Eine Teilkompetenz zu Perspektivenwechsel ist dabei anschlussfähig an die Bewertungskompetenzforschung für bio- und medizinethische Fragen. Dem Projekt gelang zudem ein wichtiger Schritt, um quantitatives Bewerten als Teilkompetenz zu definieren und psychometrisch zu fassen. Somit werden weitere wichtige Komponenten des realen Nachhaltigkeitsdiskurses in der Forschung für Bildung für Nachhaltige Entwicklung bearbeitet. Die Ergebnisse führen schließlich den Kenntnisstand der internationalen Forschung zu socioscientific reasoning, socioscientific argumentation bzw. socioscientific decision-making weiter. Überraschenderweise untersagten sowohl die niedersächsische Landesschulbehörde als auch die Sächsische Bildungsagentur die Auszahlung von Versuchspersonengeldern. Unter den neuen Umständen war die Rekrutierung sehr viel schwieriger. Entsprechend den Vorstudiendaten erweisen sich auch die Hauptstudiendaten zu LUR als eindimensional modellierbar. Jedoch passt eine zweidimensionale Modellierung, die inhaltlich zwischen „quantitativen Bewerten“ und „Perspektivenwechsel vollziehen“ differenziert, besser auf die Daten, ist inhaltlich gewinnbringend spezifisch (und dabei hinreichend breit) sowie im Forschungsstand zu Bewertungskompetenz verortbar. Durch die resultierende Zweidimensionalität von LUR werden die einzelnen Teilkompetenzen jedoch durch eine geringere Itemzahl gemessen.