Das DFG-Projekt TAV diente der sozial- und theologiegeschichtlichen Erforschung der an der Wittenberger Theologischen Fakultät von 1502 bis 1648 graduierten Absolventen. Ziel war es, die europaweite Ausstrahlung und Prägekraft der Theologischen Fakultät der Leucorea einerseits quantitativ aufgrund ihrer Bildungswege und Karrierepfade (sozialgeschichtlich), andererseits qualitativ in ihrer theologischen Profilierung und Wirksamkeit (theologiegeschichtlich). Daraus ist ein zweibändiges, rund 1.000 Seiten umfassendes Werk entstanden, das 2019 in der Reihe Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie bei der Evangelischen Verlagsanstalt erscheinen wird. Die Bände umfassen die kollektivbiografische Untersuchung der über 160 graduierten Absolventen (Lizentiaten und Doktoren) der Wittenberger Theologischen Fakultät, die Würdigung der theologischen Produktivität dieses Personenkollektivs, mehr als 160 Individualeinträge zu den graduierten Absolventen, jeweils bestehend aus einer biographischen Skizze sowie einem theologischen Profil, in dessen Rahmen die wichtigsten Werke besprochen wurden sowie Tabellen zu den wichtigsten personenbezogenen Daten zu den graduierten Absolventen der Wittenberger Theologischen Fakultät. Im Ergebnis zeigte sich, dass es sich dabei um eine schmale sozial-exklusive theologische Elite handelte, deren Familien nicht nur aus dem Trägerterritorium der Universität, Kursachsen, kamen, sondern auch aus anderen Territorien und Städten des Heiligen Römischen Reiches sowie darüber hinaus, jedoch zumeist aus Pfarrers- oder Theologenfamilien stammten. Die graduierten Absolventen wurden an zentral wichtigen frühneuzeitlichen Bildungseinrichtungen, höheren Schulen, Gymnasien, Universitäten, wobei wiederum nicht alleine kursächsische Bildungseinrichtungen maßgebend waren. Zwar stellte die mitteldeutsche Bildungslandschaft (Töpfer) insgesamt die am meisten frequentierten Einrichtungen, gleichwohl spielten auch andere – etwa Straßburg, Tübingen, Rostock, Greifswald, Königsberg, Stettin, Danzig, Breslau u.a. – eine wichtige Rolle für die graduierten Absolventen, und dies – obwohl durch landesherrliche Stipendien (Ludwig) im Untersuchungszeitraum zunehmend Studenten, darunter auch graduierte Absolventen an die territorialen Bildungsstrukturen banden. Insgesamt rückten die graduierten Absolventen nach der theologischen Promotion in Wittenberg in der Regel in territoriale theologische Führungspositionen ein – als Superintendenten, Konsistorialassessoren, Hofprediger und Universitätsprofessoren bestimmten sie die konfessionelle Gestaltung in den Wirkungsorten vor Ort maßgeblich mit, wobei die praktische Berufstätigkeit in der Regel von einer immensen literarischen Produktivität begleitet war. Die Frage nach den qualitativen Dimensionen des theologischen Wissensexports in die Wirkungsorte, die ebenfalls häufig außerhalb Kursachsens lagen, ist freilich pauschal kaum adäquat zu beantworten. Gleichwohl lassen sich gewisse Tendenzen bündeln, die eine mögliche Antwort auf die Frage nach dem Exportschlager der Wittenberger Theologie implizieren. Der Praxisbezug des theologischen Schaffens, der bei einem Gros der Wittenberger graduierten Absolventen erkennbar ist, einerseits, sowie die zahlreichen Schriften zur Hermeneutik und Methodisierung sowie zur Applikation der lutherischen Theologie legen den Schluss nahe, dass es der Wittenberger Universitätstheologie im 16. und 17. Jahrhundert gelang, überzeugende Antworten auf die Frage nach der Aktualität der lutherischen Theologie zu finden und in der Theologenausbildung konsequent umzusetzen.