Attentional Bias Modification und die neurokognitive Verarbeitung negativ valenter Gesichter bei sozialer Ängstlichkeit
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Einer verstärkten Aufmerksamkeitsausrichtung hin zu bedrohlichen visuellen Reizen wurde in der Vergangenheit wiederholt eine Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung gesteigerter Ängste zugesprochen. So zeigten MacLeod et al. (2002), dass eine Absenkung solcher Aufmerksamkeitsverzerrungen (engl. Attentional Bias) zu einer reduzierten Stressreaktion führt. Hierzu setzten sie ein computerbasiertes Training ein, in welchem über visuellräumliche Zusammenhänge von affektiv-neutralen Reizpaaren und Zielreizen eine Reduktion des Attentional Bias trainiert werden soll. Diesem Attentional Bias Modification (ABM) Ansatz wurde in der Folge ein gewisses Potential bei der Therapie pathologischer Ängste zugesprochen. Das geförderte Projekt zielte darauf ab, die neurokognitiven Grundlagen des ABM Ansatzes mittels Elektroenzephalogramms (EEG) zu beleuchten. In einer ersten Förderperiode wurde untersucht, ob der Standardansatz des ABM nach MacLeod et al. zu einer Veränderung in EEG-Indizes des Attentional Bias für wütende Gesichter führt. Es zeigte sich, dass die so genannte N2pc Komponente des EEG zwar ein reliabler Index des Attentional Bias für wütende Gesichter ist und mit der individuellen Angstneigung zusammenhängt. Allerdings konnte kein spezifischer Effekt eines mehrwöchigen ABM Trainings auf die N2pc gefunden werden. In einer zweiten Förderperiode wurde deshalb untersucht, ob die Effektivität des ABM Trainings durch das Prinzip einer belohnungsbasierten Aufmerksamkeitslenkung gesteigert werden kann. Innerhalb einer ersten Studie zeigte sich tatsächlich eine Reduktion des N2pc-indizierten Attentional Bias für wütende Gesichter, dies allerdings nur, wenn in der Trainingsinstruktion explizit auf die Verbindung zwischen räumlicher Reizkonstellation und Belohnungswerten hingewiesen wurde. In einer größeren Hauptstudie sollte zudem die Wirkung eines mehrwöchigen, belohnungsbasierten ABM-Trainingsprogramms auf die N2pc untersucht werden. Bedingt durch die Corona-Pandemie konnten die Trainingssitzungen allerdings nicht wie geplant in den universitären Räumlichkeiten durchgeführt werden, sondern wurden über eine eigens dafür programmierte App auf den privaten Smartphones der VersuchsteilnehmerInnen appliziert. Die Effekte dieses belohnungsbasierten mobilen ABM Trainings auf die N2pc waren stark abhängig von der experimentellen Verhaltensaufgabe, die zur Messung der N2pc genutzt wurde. In der Summe zeigen die Projektergebnisse somit kein konsistentes Bild hinsichtlich der Wirksamkeit des ABM Ansatzes auf elektrokortikale Korrelate des Attentional Bias für wütende Gesichter. Vielmehr scheinen mögliche ABM- Effekte bestenfalls klein und abhängig von spezifischen Aufgabencharakteristika zu sein. Die Projektbefunde fügen sich somit in das Bild einer wachsenden Skepsis bezüglich der Effektivität des ABM Ansatzes innerhalb der Fachgemeinschaft ein.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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The N2pc component reliably captures attentional bias in social anxiety. Posterbeitrag zur 56. Tagung der Society for Psychophysiological Research, Minneapolis, USA
Reutter, M., Hewig, J., Wieser, M.J., & Osinsky, R.
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The N2pc component reliably captures attentional bias in social anxiety. Posterbeitrag zur Fachgruppentagung Psychologie und Gehirn, Berlin
Reutter, M., Hewig, J., Wieser, M.J. & Osinsky, R.
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Attentional bias modification in social anxiety: effects on the N2pc component. Posterbeitrag auf der 57. Tagung der Society for Psychophysiological Research, Wien, Österreich
Reutter, M., Hewig, J., Lesch, K.-P., Wieser, M.J. & Osinsky, R.
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The N2pc component reliably captures attentional bias in social anxiety. Psychophysiology, 54(4), 519-527.
Reutter, Mario; Hewig, Johannes; Wieser, Matthias J. & Osinsky, Roman
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Attentional Bias Modification in Social Anxiety: Effects on the N2pc Component. Posterbeitrag zur Fachgruppentagung Psychologie und Gehirn, Gießen
Reutter, M., Hewig, J., Wieser, M.J. & Osinsky, R.
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Attentional bias modification in social anxiety: Effects on the N2pc component. Behaviour Research and Therapy, 120(2019, 9), 103404.
Reutter, Mario; Hewig, Johannes; Wieser, Matthias J. & Osinsky, Roman
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The Elephant in the Room: Hemispheric Influences on and Reliability Issues with the N2pc component. Posterbeitrag zur Fachgruppentagung Psychologie und Gehirn, Dresden
Reutter, M., Hewig, J., Wieser, M.J. & Osinsky, R.
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Can attentional bias towards threat be modified by reward contingencies? Posterbeitrag zur Fachgruppentagung Psychologie und Gehirn, online Konferenz
Kang, S. & Osinsky, R.
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Reward-based multi-session attentional bias modification: A longitudinal EEG study. Posterbeitrag zur Fachgruppentagung Psychologie und Gehirn, Freiburg
Kang, S. & Osinsky, R.
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Outcome of reward-based multi-session attentional bias modification is contingent on task but not on condition. Posterbeitrag zur Fachgruppentagung Psychologie und Gehirn, Tübingen
Kang, S. & Osinsky, R.
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The influence of single-session reward-based attentional bias modification on attentional biases towards threat as measured by the N2pc component. Frontiers in Psychology, 14(2023, 11, 20).
Kang, Susan & Osinsky, Roman